Murmeltiertag Blogging On Quergefönt

Warum ich den Rattenfänger erschoss

Ich gebe es zu: Ich habe Angst vor Flöten. Der Psychologe nennt das Aulophobie.

Wenn ich schon an Flöten denke, stellen sich mir die Nackenhaare auf. Und jeder Ton aus diesem löchrigen Langstock dringt mir bis ins Rückenmark und löst einen optischen Tinnitus und temporäre Lähmungen aus. Ich denke, ich hab eine Flöte im Auge, meine Motorik friert ein, das ganze System fährt herunter und ich bin hilflos wie der Bofrostmann im Tanzkurs. Da geht nix mehr mit meiner sonst so flüssigen und eleganten Bewegungskoordination, die sonst die Leute am Straßenrand in Staunen und Entzücken versetzt hat. Ich stake nur noch holzbeinig herum, Angst und Bange beschreibt die Reaktion der Umherstehenden jetzt besser und treffender.
Also meide ich alle Orte, an denen Flöten als Objekt oder Ton mir begegnen könnten.

Ich mache einen großen Bogen um meine Küche, wo der Teekessel ein fröhliches Guten Morgen – Lied pfeifen könnte und hole mir stattdessen einen Togo- Kaffee an der lautesten Kreuzung der Stadt.

In die Kirche traue ich mich auch nicht mehr. Es könnte ja eines dieser unsäglichen Kinderorchester spielen und zahnlose Greise singen dazu. Ich kuschele mich sonntags lieber wieder in die Daunendecke und drehe mich noch einmal um.

Ich mache einen weiten Bogen um jede Musikalienhandlung, Einkaufsstraßen mit chilenischen Panflöxxnspielern kann ich nur mit aufgesetzten Kopfhören und Iron Maiden auf 110 dB passieren. Kaufen tue ich dann im Internet. Und wehe die dumme Sau von Postbüttel klingelt.

Auch die angeblich unhörbaren Hundepfeifen schrillen in meinen Ohren wie eine Schiffssirene. Ich habe deswegen eine Katze, die kann gleichfalls nicht hören.

Es gibt sogar ganze Orte, die kann ich nicht bereisen: Ferna zum Beispiel mit dem Flöte spielenden Stadtwappenengel oder die Windflöte bei Bielefeld. Nun, das ist nicht weiter schade, aber ich kann auch keinem Spielmannszug in einer anderen Stadt beiwohnen. Und in Holzwickede ist sogar ein schönes Freibad danach benannt worden. Ignorantenpack.

Selbst auf der Arbeit, ein herrlich unmusikalischer Verein, sehe ich nur Blockflötengesichter.

Und so geschah es dann eines Tages, dass in Hameln das Feindbild schlechthin als Ausdruck meiner Krankheit einfach erschoss. Es tut mir auch leid.

Was mir aber wirklich fehlt, das ist der Fußball. Ich kann nicht mehr ins Stadion gehen und schaue nur noch stumm die Sportschau. Das ist verdammt hart.
Wenn ich es mir so recht überlege, vielleicht sollte ich einfach drauf pfeifen.



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