Privilegienmensch, ein Gedankenchaos.

Als ich vor drei Jahren von Zuhause ausgezogen bin und das Internet ohne mahnende Zwischenrufe nach Gutdünken als Realitätsflucht und Informationsquelle benutzen konnte, habe ich mich auch erstmalig intensiv “mit diesem Queer_Feminismus” beschäftigt. Auf gut Deutsch war das ein ziemlicher Schlag in die Fresse. Mit jedem bisschen weiterer Information hat sich meine Wahrnehmung meiner Umgebung (auch später dann auch meiner eigenen Sozialisation) radikal verändert, dass es diese drei Jahre gebraucht hat, damit ich zu wesentlichen Dingen überhaupt fundiert Stellung beziehen kann – und zwar abseits vom Erlernten.

Wenn ich dann jetzt anfange, mich mit Lebensrealitäten zu beschäftigen, die mit meiner Existenz und meinen Privilegien als Weiße cisgender Frau der Mittelklasse (die zwar queer begehrt, aber mit einem Mann liiert ist und somit auch Hetenpriviliegien hat) wenig bis nichts gemein haben – Menschen, die “stärkeren” (Mehrfach-)Diskriminierungen ausgesetzt sind, in Form von Rassismus, Ableismus, Homophobie und anderen – mache ich zwei Erfahrungen: 1) es ist immer komplexer, als ein Mensch mit Privilegien sich das vorstellt, 2) niemand wartet darauf, dass weiße Mittelklasse-cis-Frauen sich jetzt weiterbilden wollen und geben Seminare. Und autsch, auch wenn mensch sich dessen vorher bewusst zu sein glaubte, das haut echt nicht schlecht rein. Ich dachte, ich nähme mich nicht wichtig und ich bemühe mich, diskriminerungsfrei mit anderen umzugehen, aber alter Finne, ich habe nur einen Bruchteil verstanden. Was aber angekommen ist – über die persönlichen Befindlichkeiten hinwegzukommen, ist notwendig und fühlt sich nach der Erfahrung immer besser an. Im Grunde genommen habe ich keine Ahnung, ob ich mich jemals als “ally” bezeichnen kann, mir scheint es aber notwendig, immer und immer wieder anzufangen, meine Realität zu hinterfragen.