Chi Do Ha

The future depends on what you do today.




Drei Tage hintereinander streite ich mich schon mit ihm. Zur selben Zeit, einfach so, nachdem ich mich fertig angezogen habe und mein Gesicht nach der alltäglichen Schminkrunde endlich ansehnlich geworden ist. Ich tupfe die Tränen behutsam mit einem Wattepad weg in der Hoffnung, die Farbschicht nicht schon wieder zu zerstören. Ich schreie ihn an und überlege rasch, welchen Gegenstand ich schnell mal durch die Gegend schleudern kann, um meine Wut zu erleichtern, ohne dass er gleich kaputt geht. Es ist nicht leicht mit uns. Mit mir. Man täuscht sich vielleicht, wenn ich meinen Kopf neige und lächele, die Augen groß aufgerissen. Aber ich kann auch anders. Anstrengend, beleidigend, aggressiv. Es wird nie einfach, auch nach sechs Jahren nicht. Ich werfe das Wattepad auf den Boden. Schluchzend.

Mir geht es zur Zeit gar nicht gut. So viel zu offiziell arbeitslos und irgendwie glücklich. Das funktioniert für eine Woche, vielleicht zwei, aber dann ist Schluss. Spätestens wenn das Konto genauso leer ist wie die Geldbörse. Wenn Rechnungen für Strom, Gas, Internet und sogar für den Fernseher (hallo GEZ) ins Haus flattern. Wenn der Mitbewohner sich dazu entschließt auszuziehen und man den Kopf darüber zerbricht, wie man ihm seine Kaution zurückzahlen soll. Probleme en masse. Nur noch drei Monate, dann gibt es wieder BAföG, rede ich mir ein. Aber bis dahin bin ich auf mich allein gestellt. Unabhängigkeit fühlt sich beschissen an. Für den Tag leben, das konnte ich noch nie gut. Ich plane keine zehn Jahre im Voraus, aber was die Finanzen angeht, brauche ich meinen Puffer. Falls der Laptop plötzlich den Geist aufgeben sollte. Falls ich dringend in die Heimat muss. Falls ich mal so richtig shoppen will. So was. Gedanken, die man sich ganz früh und schnell aneignet, wenn man mit 14 von Zuhause ausgezogen ist. Erwachsenenkram. Verantwortung. Leben.

Ich hebe das nasse Wattepad hoch und schmeiße es in den Müll. Ein Blick in den Spiegel verrät mir, dass ich mich entweder nochmal neuschminke oder gar nicht erst das Haus verlassen soll. Mist. Ich buchstabiere "Existenzsängste", lache laut auf und fühle mich leer. Klopfe an seiner Tür und warte darauf, dass er mich in den Arm nimmt. Mir sagt, dass alles wieder gut wird. "Wir schaffen das schon, Dickspatz" und die Tür geht auf. "Arbeite an deinem Blog, der läuft doch gut", schlägt er mir vor. "Stimmt", nicke ich und greife zu dem neuen türkisfarbenen Kleid im obigen Bild. Zu grell? Nein - passend zur Laune! Ich wische mir die letzten Tränen von den Wangen und drücke ihm die Kamera in die Hand. "Machst du mir ein paar Bilder?", frage ich mit dem bestmöglichen Hundeblick. "Schon wieder? Na guuuut", seufzt er, "aber dein Gesicht ist fleckig!". Ich schüttle meinen Kopf, jaja, das weiß ich, aber das lachen wir einfach weg. Ich war mal wieder eine kleine Heulsuse, aber dazu stehe ich. Alles ist gut, solange ich bei dir bin, möchte ich sagen, aber solche kitschige Worte bringe ich nie über die Lippen. Es tut mir leid, dass ich dich angezickt habe, möchte ich zugeben, aber dazu bin ich zu stur. Es wird schon besser, möchte ich mir einreden, aber so weit bin ich noch nicht.

Lasst uns kleine Schritte machen. Alte Rechnungen begleichen und ausnahmsweise keinen Kontoauszug holen. Statt zum teuren Koreaner zu fahren laufen wir heute zu der guten Eisdiele von nebenan. Es wird Zeit, dass wir unser Leben aufräumen. Platz für Neues schaffen. Uns auf die Zukunft vorbereiten. Es wird Zeit, dass wir uns bewusst für bunte Kleider entscheiden. Schritt für Schritt. Lasst uns lachen, als wenn uns nichts aufhalten könnte, denn Glück ist, geben wir es zu, nur eine Frage der inneren Einstellung.

// Mein Sonntagspost kommt diese Woche etwas früher, denn ich bin über das Wochenende verreist. Ich wünsche euch ganz schöne Pfingsttage!
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