Thuy&Kathrin

Was sind Trends und warum folgen wir ihnen?

Ich bilde mir ja immer ein, dass ich den Modetrends nicht folge. Wenn ich dann aber im Nachhinein meine Outfit-Fotos betrachte, merke ich, dass ich mich doch unbewusst habe beeinflussen lassen und sehr wohl einiges trage, was gerade en Vogue ist. Es gibt Leute, die wissen heute schon, was morgen „in” sein wird. Aber wie beeinflussen diese Trendforscher mich und die Modeindustrie? Was machen solche Experten eigentlich den lieben langen Tag? Und wie erkennen sie die Trends?

Diese Fragen habe ich mir schon häufig gestellt und liebäugle sogar mit dem ungewöhnlichen Beruf des Trendforschers. Denn ich stelle mir die Arbeit sehr kreativ und reiseintensiv vor. Neulich habe ich mich hier in Paris mit Elisabeth Prat-Dard, der Modechefin von Peclers, einer der wichtigsten internationalen Trendagenturen getroffen. Sie hat mir unter anderem verraten, warum sie nicht geschockt ist, wenn sie zwei gleiche Mäntel bei verschiedenen Designern auf dem Laufsteg sieht.

Elisabeth Prat-Dard erforscht Modetrends.

Warum brauchen wir Trends?

Elisabeth Prat-Dard: Unternehmen brauchen Trends, um sicher zu gehen, dass sie auf dem richtigen Weg sind und ihre Kunden mit ihren Produkten ansprechen. Schau Dir deinen Stirckpullover an, darin kann man Zeichen lesen. Die Farbe, das Volumen, die Haptik – all das muss dem Geist der Zeit entsprechen. Wenn die Kombination nicht zum Zeitgeist passt, dann verkauft sich das Produkt schlecht. Trends entscheiden also darüber, wie ein Design zu einer bestimmten Zeit ankommt. Vor zehn Jahren wäre ein und dieselbe Marke vielleicht mit ganz anderen Kleidermodellen erfolgreich.

Wir fliegen also beim Konsum wie Vögel immer in die gleiche Richtung, weil wir dem Zeitgeist folgen?

Es ist eine persönliche Entscheidung, welche Farbe wir tragen. Da besteht kein Zwang, keine Pflicht. Der Stoff, den Du wählst, das bist Du. Er spiegelt Dich wieder und was Du anderen von Dir mitteilen willst. Die Wahl der Garderobe ist aber auch eine Frage der Verbindung. Es geht darum, zu wem wir gehören wollen. Wir leben alle in einer Gesellschaft. Einem Trend zu folgen, ist der Wunsch des Konsumierenden, zu etwas zu gehören. Schau Dir Leute an, die gar nicht auf sich und ihr Äußeres achten, die keine Verbindungen schaffen. Sie geraten ins gesellschaftliche Abseits.

Bei der Entwicklung von Trends spielen ja auch Medien und Blogs eine Rolle. Wie werden sich Fashion Blogs in Zukunft weiterentwickeln?

Mich interessieren Fashion Blogs nicht so sehr, weil dort die Mode zu Hause ist. Ich persönlich gehe lieber an Orte, wo Mode noch nicht ist. Zum Beispiel in eine Galerie, ins Theater, in eine Café. Für meinen Geschmack gibt zu wenig wirklich innovative, kreative Fashion Blogs, die mich überraschen. Ich mag es, wenn jemand eine eigene, scharfe Vision der Mode hat und diese kommuniziert.

Deshalb hoffe ich, dass Mode-Blogs in Zukunft persönlicher und spezialisierter werden, nicht mainstreamiger. Im Moment sehe ich online viele It-Girls, die jeden Tag neue Designer-Kleider tragen. Das ist keine Idee. Ich weiß nicht, wen das berührt – außer Fast Fashion Brands, die anhand dieser Blogs ihre Kundinnen besser kennenlernen können. Ich finde, dass der Markt für Innovationen auf diesem Gebiet noch groß ist.

Wie sieht für Sie als Trendforscherin ein normaler Arbeitstag aus?

Mein Job ist zum einen Beobachtung und zum anderen bringe ich mein eigenes Verständnis von Mode ein. Ich studiere Kulturen, Ästhetik, Filme, Mode-Archive, Streetstyles und natürlich den Laufsteg. Denn Du kannst im Bereich Mode gar nichts machen, wenn Du nicht den Laufsteg im Auge behältst. Modeschauen sind so stark und richtungsweisend. Sie sind eine der Hauptquellen der Trendforschung.

Natürlich durchforsten wir auch Städte und schauen, wie die Bewohner Mode konsumieren. Das Erforschen von Trends ist eine sehr urbane Arbeit. Ich reise alle sechs Monate in eine Stadt, die ich noch nicht kenne, um einen Kulturschock zu bekommen. Dort betrachte ich neben der Designer- auch immer Vintage-Mode und suche in der Kunst nach Inspirationen und Zeichen der Zeit. Kunst ist das Spiegelbild dessen, was die Gesellschaft gerade denkt und sucht.

Und dann trifft sich das Forscher-Team und stellt die Trend-Bücher zusammen …

Genau. Jeder präsentiert seine Trends in einem Meeting. Ich habe diesmal ein Vintage-Buch aus den 50er-Jahren in London gefunden und zwei Architektur-Bücher aus Japan mitgebracht. Aber mein bester Fund ist ein Technicolor-Foto, das in Hawaii aufgenommen wurde. Darin sehe ich unheimlich viele Zeichen.

Kaufen mehrere Designer denn das gleiche Trend-Buch und kommen daher auf ähnliche Ideen?

Die meisten High Fashion Designer kaufen keine Trend-Bücher. (Die Trend-Bücher bei Peclers kosten zwischen 200 bis 5.650 Euro.) Die meisten unserer Kunden sind Modeketten wie Zara. Aber auch Prada gehörte schon dazu. Wenn Alexander Wang ein Design entwirft, das uns bei extrem kalten Temperaturen warm hält, wie seine Boxhandschuhe aus Fell, dann ist er durch den New Yorker Schneesturm im Dezember auf die Idee gekommen. Und es ist wahrscheinlich, dass ein anderer New Yorker Designer durch den Sturm in eine ähnliche Stimmung kommt.

Wenn Du an das Klima denkst, merkst Du, dass alle in derselben Welt leben. Wir betrachten dieselben Dinge und sind gut im reflektieren. Unsere Ideen sind der Spiegel unserer Welt.

Dann ist es also logisch, dass Designer manchmal Ähnliches entwerfen – das ist kein Verbrechen?

Mich schockt nicht, wenn über den Céline-Laufsteg ein grauer Mantel von Phoebe Philo läuft, der genauso aussieht wie ein Design von Geoffrey Beene aus den 80ern. Ich mag die Wiederbelebung von Kleidern aus Archiven oder Vintage. Ich glaube nicht an Innovation als eine Erfindung von etwas, das es vorher noch nie gab. Für mich heißt Innovation, etwas Bestehendes nehmen und etwas hinzufügen, Ideen vermischen oder sie abändern. Natürlich gibt es neue Technologien in der Mode, aber in der Regel nimmst Du etwas, was Du vor fünf Jahren nicht wolltest und passt es deiner Zeit an.

Wie werde Ich ein Trendsetter?

Du musst analysieren, beobachten und gestalten. Du musst Dich zurückziehen vom Mainstream und zum Beispiel acht Tage hintereinander nur in Secondhandshops gehen. Ich finde Gegensätze immer interessant. Wenn ich ein Professor wäre, würde ich vielleicht folgende Aufgabe stellen: Geh in die etwas wüste Gegend in Paris bei Barbès-Rochechouart und dann ins Louvre und kombiniere danach einen Look aus den typischen Merkmalen der beiden Orte. Ein billiges Kleidchen von Tati (vergleichbar mit Walmart in Deutschland) mit Diamanten aus dem Louvre – das wäre doch cool!

Danke für das Interview!

Der Artikel Was sind Trends und warum folgen wir ihnen? erschien als erstes auf Two for Fashion - Das OTTO-Fashion-Blog.


  • Love
  • Save
    1 love
    Add a blog to Bloglovin’
    Enter the full blog address (e.g. https://www.fashionsquad.com)
    We're working on your request. This will take just a minute...