Mut zur Lücke?


via fuckyeahthighgap.tumblr.com
Seit Menschengedenken gibt es bestimmte Schönheitsideale. Im Laufe der letzten Jahrhunderte veränderte sich dieses Bild ständig. So, wie es sonst nur die Launen von manisch depressiven Menschen oder Frauen mit PMS tun. In der europäischen Frühgeschichte soll es Fettleibigkeit gewesen sein, nach der gestrebt wurde und die mitunter als Zeichen der Fruchtbarkeit galt. Im Mittelalter hatte man im Optimalfall hellblonde, gelockte Haare, blaue Augen, eine weiße Schneewittchenhaut und einen möglichst hohen Haaransatz, bei dem sogar häufig mit Pinzette nachgeholfen wurde. Aua. In den 1950er Jahren durften Frauen Kurven haben und ihre Weiblichkeit in Szene setzen. Dann kamen Audrey Hepburn und Twiggy und der zierliche, beinahe androgyn wirkende Frauentyp galt für viele Frauen als optisches Vorbild. Durch die Trendwelle der Supermodels der 90er Jahre wie Claudia Schiffer, Linda Evangelista, Naomi Campbell und Kate Moss kam man letztlich wieder auf das extrem schlanke Mädchen zurück. Nur leider vergessen viele junge Frauen, dass ihr Körper nicht ihr Kapital ist und es für sie absolut gar keinen Sinn macht zu hungern oder so exzessiv Sport zu treiben, dass es schon nicht mehr gesund ist. Zu viel ist nie gut. Egal wovon. Aber heutzutage werden wir so extrem von allerlei Medien beeinflusst, dass wir manchmal total verwirrt sind und anfangen uns mit Models zu vergleichen, die uns von sämtlichen Plakaten oder aus dem Fernseher anlächeln. Als die digitale Medienwelt noch in den Kinderschuhen steckte, verglich man sich vielleicht mal mit der hübschen Nachbarstochter, aber eben nicht mit einem Berufsmodel, das sowohl genug Geld hat sich einen Personaltrainer als auch sämtliche kosmetische Behandlungen zu leisten. Irgendwas ist da doch nicht richtig.
Letzter Satz schoss mir auch in den Sinn, als ich das erste Mal vom Phänomen der Thigh Gap hörte. Jene bezeichnet die Lücke zwischen den Oberschenkeln, die Models und andere schlanke Mädchen häufig besitzen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es auch gesunde Mädchen gibt, deren Schenkel im Sommer nicht aneinander reiben und scheuern bis Blut fließt. Ich unterstelle beim besten Willen nicht jedem schlanken Mädchen, das von Natur aus diese Thigh Gap besitzt, eine Essstörung, aber ich kritisiere den Hype, der darum gemacht wird. Dieser treibt nämlich Mädels ohne Oberschenkellücke (oder "Fotzengraben", wie ich letztens hörte) in einen Wahn, der teilweise nicht mehr vertretbar ist. Tatsächlich vergleichbar mit der Pro-Anna-Bewegung. Auf Tumblrs wie diesem hier wird jeden Tag eine ganze Armada an Bildern von Thigh Gaps gepostet und fleißig geherzt und gerebloggt und wasweißichalles. Auf den Bildern, die folgen, wenn ich mich ausgekotzt habe (wie passend), sieht man gut gekleidete, hippe Mädchen, die ihre Thigh Gap mit Stolz in die Kamera halten. Auch verrückt, dass man etwas in den Fokus stellen kann, das eigentlich gar nicht da ist. Ich muss gestehen, dass ich Bilder rausgesucht habe, die wirklich noch ästhetisch aussehen. Es ist nicht so, dass dieses Phänomen in mir nur Entsetzen oder gar Ekel auslöst. Eben darum nicht, weil es auch normalgewichtige Mädels gibt, die so aussehen können. Aber wenn ihr euch auf dem besagten Tumblr mal etwas durchscrollt, werdet ihr schnell feststellen, was an diesem Trend so bedenklich ist. Die Mädchen hungern sich runter und propagieren das Ganze, indem sie auf Bildern ihrer Thigh Gaps Dinge schreiben wie "I wish my thighs didn't touch", "Be strong and get skinny" oder "Feet together, thighs apart". Zu allem Überfluss hat irgendein krankes Hirn der Thigh Gap von Miss Omnipräsent Cara Delevingne auch noch einen eigenen Twitter-Account gewidmet und Schritt-für-Schritt-Anleitungen mit empirischen Tipps à la "Beine nicht übereinanderschlagen!", um Wasseransammlungen zu vermeiden, findet man auch zur Genüge.
Wenn man echt die Zeit hat, sich so sehr um seine Oberschenkellücke zu sorgen und diese zum Lebensmittelpunkt mutieren zu lassen, hat man entweder ein psychisches Problem oder sonst keine Probleme. Letzteres wäre wünschenswert, ist jedoch unrealistisch. Zumindest in einer Gesellschaft wie der unseren, in der sich immer alles um Aussehen, Geld, Macht und Sex dreht.


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