Madeleine Alizadeh

WIEDERGEBURT UND PETTICOATS: MEIN INTERVIEW MIT LENA HOSCHEK

Lena Hoschek ist nicht nur eine überdurchschnittlich talentierte Kleidermacherin, sondern eine beeindruckende Persönlichkeit. Ich durfte Lena direkt nach ihrer Show bei der Mercedes Benz Fashion Week Berlin treffen und habe sie alles gefragt was ich (und ihr) schon immer wissen wollte(t):

Hallo Lena! Danke dass ich dich interviewen darf, vor allem so direkt nach der Show. Wie fühlst du dich?

Super, danke!

Mein erster Gedanke bei der Kollektion die wir eben gesehen haben war “wow, das sind aber wenige Prints. So monochrom kennt man dich gar nicht!”

(lacht) Das stimmt. Die Inspiration zur Kollektion war die blaue Stunde. Die Lichtstimmung zum Morgengrauen und zur Abenddämmerung. Wir alle sind arbeitende Frauen, stehen zum Morgengrauen auf und sind in der Abenddämmerung immer noch im Büro. Abends beginnt dann das Networking und Socializing – daher rührt auch das Key Piece der Kollektion: das 18 hour dress. Es ist ein Kleid, das du 18 Stunden lang tragen kannst. Es ist bequem, tragbar und sieht toll aus. Wir haben sehr viele Kundinnen die unsere ausgefalleneren Sachen zwar lieben aber sagen “ich brauch was für’s Büro”.

Also hast du dich bei der Kollektion an deinen Kundinnen orientiert?

Wir orientieren uns natürlich in erster Linie nach “meinem Bock”, also worauf ich Lust habe, aber natürlich auch nach den Kundinnen. Ich selbst liebe ja Muster, Blumen, Karo habe aber letzten Winter zum ersten mal einfärbige Kleidungsstücke entworfen – früher fand ich das nicht sehr spannend. Inzwischen habe ich aber Unterstützung von Thomas Kirchgrabner als Head Of Atelier bekommen und dank seiner Begabung als Schnittkünstler gibt es auch bei mir mehr monochrome Pieces zu sehen. Wenn du tolle Schnitte beherrschst kannst du mir einfärbigen Stoffen mehr zaubern.

So eine Fashion Week Show ist ja irrsinnig viel Arbeit. Was ich die größte Herausforderung dabei für dich? Gibt es einen Part vor dem du am meisten Angst hast?

Bei meiner ersten Show hatte ich Angst dass niemand kommt! Inzwischen habe ich eigentlich vor nichts Angst, ich mache die Fashion Week ja schon sehr lange mit. Passieren kann immer etwas! Manchmal fallen Models aus, wir hatten schon mal dass zwei Outfits nicht gelaufen sind weil ein Zip geplatzt ist oder jemand den Schuh verloren hat. Ich bin aber niemand der sich dadurch stressen lässt – das Wichtigste ist dass alles rechtzeitig fertig wird. Mit allen anderen Problemen dealt man vor Ort und in der Regel bekommt das Publikum auch gar nichts davon mit.

Auf meinem Blog geht es sehr viel um nachhaltige Mode. Wie stehst du zu dem Thema?

Ich habe da einen ganz logischen Ansatz: wir produzieren alles in Europa und könnten natürlich unseren Gewinn optimieren wenn wir billiger produzieren lassen würden. Das würde aber auch bedeuten, dass ich in meinem Unternehmen Arbeitskräfte abbauen müsste. Es ist aber meine Verantwortung, nicht nur als Unternehmerin sondern auch als Konsumentin, Arbeitsplätze zu schaffen und mir zu überlegen “Will ich mein Geld wirklich einem großen Konzern in den Rachen werfen?” oder sichere ich Arbeitsplätze im eigenen Land.

Was nervt dich am meisten an den Medien?

Ich finde vor allem jetzt zur Fashion Week gibt es sehr viele deutsche Medien die sagen “Wozu braucht man überhaupt eine Berliner Fashion Week?”. In folge dessen sind einige große Designer abgesprungen, danach behauptete jeder die Fashion Week sei tot. Ich finde es schade, dass diese Designer sich so leicht von den Medien beeindrucken lassen und vor allem dass sie nicht erkennen, was die Medien mit ihren reißerischen Beiträgen ruiniert haben.

Unter welchen Umständen würdest du bei einer Wiener Fashion Week zeigen?

Das habe ich vor vielen Jahren mal, aber ich räume das Feld für junge Designer. Für mich ist Berlin ein B2B (business to business) Event, was viele inzwischen vergessen haben. Eine Kollektionspräsentation ist für Medienvertreter und Redakteure auf der einen und Einkäufer auf der anderen Seite. Wir befinden uns im Jänner am Anfang der Saison, das heißt nach den Modemessen und -wochen haben wir alle Bestellungen und beginnen mit der Produktion, im Herbst kommen die Stücke dann in die Läden. Diesen Rhythmus schafft man nur mit gutem Timing! Die Modewoche in Wien findet zu einem Zeitpunkt statt, der saisonal mit diesem Prozess nicht übereinstimmt – deswegen finde ich die Vienna Fashion Week super für junge Designer, die noch am Anfang dieses Prozesses stehen.

Was hast du als Kind am liebsten gemalt?

Mode! (lacht) Ich habe immer schon Kleider gemalt, ohne Gesicht, es waren schon richtige Skizzen von Prinzessinnenoutfits mit Filzstift gemalt.

Lenas Originalzeichnungen

Als was würdest du gerne wiedergeboren werden?

Mir fallen so viele tolle Sachen ein! Aber ich glaube wenn ich es mir aussuchen könnte würde ich gern als Fisch wiedergeboren werden. Aber einer, der nicht so klein ist dass er sofort gefressen wird (lacht). Ich finde die Tiefsee so spannend und würde mir gerne ansehen was da alles noch so schlummert.

Wobei mit dem ganzen Plastikmüll im Ozean ist das ja auch nicht mehr so witzig…

Okay. So gesehen will ich doch kein Fisch sein (lacht).

Das liebste Teil das du je designed hast?

Ein Sommerkleid aus einem Vintage Print den wir exklusiv anfertigen haben lassen. Die Originalstoffentwürfe haben wir in einer Seidenfabrik in Como (Italien) reproduzieren lassen und damit ein Kleid gemacht. Das war ein schwarzes Kleid mit rot, gelb, grünen Blumen und Kränzen und nennt sich “sunny day dress“. Die Leute haben es zwar nicht so angenommen aber es ist mein absolutes Lieblingskleid!

Das Modestudium in Hetzendorf ist ja eingestellt worden. Was sagst du dazu?

Ich finde das wirklich katastrophal. Man hat als junger Mensch fast gar keine Möglichkeit mehr Modedesign zu studieren. Es gibt zwar die Angewandte aber da werden einerseits nur um die 5 Personen pro Jahr aufgenommen und auf der anderen Seite ist deren Ansatz auch sehr künstlerisch. Ich finde die Gesamtsituation wirklich schlimm.

Was trägst du in deiner Freizeit? Was würdest du tragen wenn es richtig arschkalt draußen ist?

Ich trag wie immer meine Kleider, am liebsten mag ich Hemdblusenkleider. Drunter oft einen Petticoat (die wärmen richtig!) und kombiniere es auch gerne mit derben Stiefeln.

Nur zur letzten Frage: Was würdest du deinem 16-jährigen Ich raten?

Cliquen und Gruppen sind gut solange sie einen inspirieren und einem Freiheit schenken. Sobald man aber das Gefühl hat nicht sich selbst zu sein, dem Druck der Gruppe nicht nachzukommen, dann sollte man es lassen und versuchen sein Selbstbewusstsein bei sich zu finden und nicht bei anderen.

Danke liebe Lena für das tolle Interview! Du bist eine wahre Inspiration für alle Frauen da draußen!

Illustrationen: Andrea Cislaghi
Photos: Nicholas Beutler

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