Sich im feinen Restaurant verhalten

Das Verhalten und dessen Auslegung sind immer relativ – das Auge des Betrachters ist unweigerlicher Maßstab. Es gilt ohne Erbarmen und tritt als folgenschwere „Analyse“ auf. Zu objektivieren mag am ersten Blick einfach erscheinen, weiß doch jeder, „wie man sich verhält“. Am zweiten Blick aber, anlässlich eines akut drohenden Szenarios konkretisiert, werden erst Detailfragen aufgeworfen und ersichtlich.

Eines der gefürchtetsten Beispiele ist eine spontane Einladung, die am ersten Blick wie eine nette Geste wirkt: Wenn etwa der Erzrivale um die höhere Position im Unternehmen zum Stelldichein ins Nobelrestaurant lädt und Chef und dessen Gattin mit in die Gästeliste aufnimmt oder die angehenden Schwiegereltern laden zum ähnlichen Event, nachdem sie sich über die „einfache Strickart“ des Schwiegersohns in spe brüskierten, dann vermag nicht nur der Verschwörungstheoretiker eine Offensive wittern.


Oder aber man wird bei „Gelegenheit“ am falschen Fuß erwischt: Der Kollege überredet die gesamte Belegschaft zum spontanen Essen im feinen Restaurant – wohlwissend, dass das Äußere heute eher auf Außendienste im Schneetreiben ausgerichtet war oder ein sonstiger Fauxpas bereits Spuren an der Kleidung hinterließ. Was tun?

Vorbereitung auf alle Eventualitäten lautet die Devise – einen hellen Kopf behalten, sachlich denken und den Ängsten mit einem fundierten Verhaltenskodex schon gedanklich Paroli bieten. Der Rest kommt von selber – sagt man. Im Ergebnis sind die Ansprüche höher als bei einem Vorstellungsgespräch oder Interview, auf welches man sich wochenlang vorbereiten kann. Doch der Ruf in die Noblesse kann unverhofft zutage treten.

Das Outfit

Bei rechtzeitiger Kenntnisnahme des Events muss an dieser Stelle nichts hinzugefügt werden. Hier aber soll ein Ersatz-Sakko im Auto oder am Arbeitsplatz prophylaktisch schon mancherlei Situationen die Schärfe genommen haben. So könnte man auch mit Rollkragen oder sommerlichen T-Shirt noch ein vertretbares Erscheinen retten.

Über die Outdoor-Kleidung muss man sich in diesem Fall kein Kopfzerbrechen bereiten: Wichtig ist in jeder Art von Restaurant das Abgeben der Garderobe in der kalten Zeit. Die Jacke dem Stuhl überzustülpen würde in feinen Restaurants ohnehin unliebsame Blicke auf sich ziehen. Damit ist es außerdem „aus den Augen und aus dem Sinn“.

Kein fauler Kompromiss: Kennen Sie Knigge

Wer sich mit den Ess-Regeln von Knigge noch nicht vertraut gemacht hat, dem wäre in einer oben beschriebenen Lage kaum zu helfen – lediglich Notausreden könnten hier die Flucht nach vorne ausmachen. Ein Dauerzustand ist das allerdings nicht.

Sobald man sich mit dem richtigen Verhalten zu Tisch vertraut gemacht hat, befindet sich der allgemeine Verhaltenskodex im feinen Restaurant in nicht allzu weiter Reichweite. Ideal wäre freilich vorbeugend der Besuch in einer guten Tanzschule – kaum besseres Training, noch dazu ohne Konsequenzen bei anfänglichen Startschwierigkeiten, wird geboten. Benimm-dich-Kurse und ähnliches sind oft schon Realität, vor allem am Land.

Das Weitere entscheidet sich, ob eine Tischordnung vorgesehen ist oder nicht. Sieht eine solche oder der Zufall vor, dass eine Dame neben dem eigenen Platz gereiht wurde, ist ihr unaufgefordert der Stuhl zurechtzurücken – solange sie noch nicht Platz genommen hat.

Grundsätzlich nimmt das weibliche Geschlecht immer zuerst Platz. Man wartet einfach ab. Auch unter den Damen besteht eine gewisse Rangordnung – ältere stehen an erster Stelle. Höherrangigen Herren ist ebenso ein Vorrang zu gewähren. Wie diese untereinander in der zeitlichen Reihenfolge konkurrieren, darf man als Außenstehender dezent mit verfolgen.

Der Gentlemen von damals und heute

Hundertprozentige Allgemein-Gültigkeit kommt dem sogenannten „Hofieren“ heute nicht mehr zu. Grundsätzlich sollte man, etwa beim Beschreiten von Treppen, hinter der Dame gehen. Das Halten des Stuhls beim Niedersetzen oder Hilfe beim Ab- und Anlegen der Garderobe besitzen nach wie vor Gültigkeit. Letzteres natürlich nur dann, wenn die Dame nicht ohnehin in anderer Begleitung auftritt.

Die Begrüßung und der Einstieg

„Ladys first“ ist auch heute bei der Begrüßung noch gültig. Der Handkuss von anno dazumal würde dem Auftritt eher eine sonderbare Note verleihen, aber ein fester und doch unaufdringlicher Händedruck gehören dazu. Aber nur grundsätzlich sind Damen zuerst zu begrüßen, denn sind die Menschen in ihrer Anzahl schlicht zu viel, dann geht man der Reihe nach auf sie zu.

Die Dame darf übrigens dabei sitzenbleiben. Während im Büro zuerst der Chef zu grüßen ist, wird im Restaurant die Dame vorgereiht. Ausnahme: wenn deutlich ältere Personen der Gesellschaft angehören, sind sie zeitlich vorzuziehen. Die Regeln sind dieselben wie der Reihenfolge des Platznehmens.

Zur Erinnerung: Den Startschuss beim Essen und auch beim Trinken gibt der Gastgeber, ob in seinem Zuhause oder auswärts. Nimmt dieser den ersten Schluck oder Bissen, so ist es auch den anderen erlaubt. Der Zuruf „Guten Appetit“ ist im gehobenen Kreis verpönt.

Sofern überhaupt eine Geste eingesetzt wird, kann der Gastgeber mit dem Kopf nicken – aber selbst das auf eher dezente Weise. Man sollte einfach ihn zu Beginn im Blickfeld behalten und nicht etwa die nette Sitznachbarin.

Essen á la Carte – Vorsicht bei der Wahl!

Auch wenn die Speisekarte freie Wahl signalisiert, so sollte man die Empfehlungen des Gastgebers abwarten und das Preisniveau als Richtung verstehen. Versteht er sich als bekennender Weinkenner, ist hierzu sein Rat einzuholen.

Sonderfall Suppe

Brot ist niemals in die Suppe zu tunken, auch wenn es sich im trauten Umfeld um ein beliebtes oder gewohntes Ritual handelt und gerade Kinder diesem Gelüst gerne nachgeben. Um den letzten Rest auslöffeln zu können, darf die Schale seitlich gekippt werden – nicht aber, wenn ein Suppenteller verwendet wird. Nicht zu pusten und schlürfen sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

Kleine No-Gos beim Essen

  • Erst probieren, dann würzen – nie umgekehrt!
  • Nicht nur selber erst schlucken und dann sprechen – das selbige hat man auch seinem Gesprächspartner zuzugestehen: Es ist abzuwarten, bis er selber nichts im Mund hat, ehe man ihn anspricht.

Die Sache mit dem Taschentuch und Servietten

Erinnerungen an unsere Großväter sind meistens noch mit Stofftaschentüchern verbunden. Die Regel gilt jedoch nach wie vor: ein sauberes, faltenfreies Stofftaschentuch ist Begleiter gesellschaftlicher Zusammenkünfte.

Leidet man aktuell aber an einer Verkühlung, so dass ein ständiger Gebrauch dessen Kapazitäten sprengen würden, stattet man sich vorsorglich mit den hygienischeren Papiertaschentüchern aus. Einmalige Verwendung und anschließende Entsorgung sind dabei oberstes Gebot.

Droht ein Niesen, schiebt man zuvor seinen Stuhl etwas nach hinten. Wenn es ganz schnell gehen muss, niest man in die linke Hand. Ansonsten sollte das Taschentuch verwendet werden. Die rechte Hand, welche man ja zum Gruße anbietet, wäre dabei ein ungustiöses Zeichen. Vorsicht: Der Zuruf „Gesundheit“ ist passé – Niesen ist heutzutage verpönt und auch nicht durch stilvolle Wortfolgen kompensierbar.

Niest jemand, ist es zu ignorieren. Freilich kann es sein, dass die Tischpartner selber noch gewohnt sind, zu reagieren. Dann sollte man sich der Gesellschaft insofern anschließen. Am besten man beobachtet anstatt den Niesenden die Runde und wählt seine eigene Reaktion. Wer einen Niesanfall bekommt und dadurch unweigerlich die Aufmerksamkeit auf sich zieht oder Gespräche unüberhörbar unterbricht, sollte sich entschuldigen.

Die Serviette ist am Schoß zu platzieren, und zwar ehe man die Speisekarte in die Hand nimmt. Ausgenommen bei Vorbestellungen, wo sie erst mit dem ersten Gang abzulegen sind.

Der Brotkorb im feinen Restaurant – gute Sitten werden ersichtlich!

In noblen Lokalitäten wird das Brot so gut wie immer im Korb serviert. Und dies schon vor der Darbietung der Gänge. Es herrschen hierbei allgemeingültige Regeln vor: Brot und Butter gelten als Vorspeise. Sollte auch der Hunger noch so groß sein, ist Zurückhaltung geboten.

Man schneidet auf keinen Fall eine Scheibe ab, sondern bricht das Brot mit den Händen. Man kann es mit Butter bestreichen und klarerweise benützt man dazu das Brotmesser. Danach ist es mit der linken Hand dem Mund in kleinen Portionen zuzuführen. Das Messer ist am Brotteller abzulegen.

Tischrunde mit körperlich beeinträchtigten Personen

Heutzutage gilt es respektlos, Menschen anzufassen. Auch dann, wenn man ihm Hilfe anbieten möchte. Sollte also ein Rollstuhlfahrer oder eine ältere, gebrechliche Person der Gesellschaft angehören, ist vorher zu fragen, ob Hilfe benötigt wird, etwa beim Aufstehen oder Sessel zurechtrücken.

Generell ist jeder Person ein gewisser „Freiraum“ zuzugestehen. Rund 60 Zentimeter beträgt die Sphäre, in welche man nicht eindringen sollte. Sei es beim Griff nach dem Salzstreuer oder sonstigen Bewegungen. Ist es unausweichlich, bittet man diesen höflich zum Reichen des gewünschten Utensils.

Handys, Smartphone und Notebooks

Viele sind es gewohnt, ihren persönlichen mobilen Kommunikationshelfer ständig um sich zu haben. Hier handelt es sich aber um besonders verpöntes Verhalten. Zwei Grundregeln sind einzuhalten: Wer aufgrund möglicher Notfälle, wie potentielle Hilferufe des Babysitters, das Gerät gar nicht abschalten kann, muss zumindest auf „lautlos“ umschalten oder maximal einen kurzen, dezenten Signalton auf leiser Lautstärkenstufe bzw. Vibration wählen.

Dazu sollte es unauffällig untergebracht sein und nur dem wahren Empfänger bewusst werden, wenn ein Anruf eingeht. Erreicht einem ein Anruf, der die Störung rechtfertigen könnte – ein spontaner Kaffeetratsch wäre das unhöflichste Szenario für die Tischpartner – entfernt man sich von der Runde, kehrt zurück und entschuldigt sich kurz. Solche Gespräche müssen auch so kurz wie möglich gehalten werden.

Ausklang mit Niveau

Wie eilig man es auch haben mag: “Ladys first“ gilt auch beim Verlassen durch die Türe oder an der Garderobe. Deutlich Älteren ist auch hier ein absoluter Vorrang einzuräumen. Die Zeit, einer Dame die Türe aufzuhalten, muss man sich nehmen, sofern die Situation es einfordert. Wer diese Prinzipien einhält, braucht sich nicht zu sorgen – positive Reaktionen sind einem sicher.

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