Marques’Almeida Resort ’16 // Für mehr Wahrheit in der Modewelt?

Marta Marques und Paulo Almeida sind zusammen Marques’Almeida, das Label der Stunde, spätestens seit die womöglich hochkarätigste Jury der Branche (bestehend Delphine Arnault, Nicolas Ghesquière, Karl Lagerfeld, Phoebe Philo, Raf Simons, Riccardo Tisci, Marc Jacobs, Jonathan Anderson, Carol Lim, Humberto Leon, Jean-Paul Claverie und Pierre-Yves Roussel) das Designer-Duo im vergangenen Jahr mit dem begehrten LouisVuittonMoëtHennessy, kurz LVMH-Preis auszeichnete. Gerade einmal zehn Minuten blieb den beiden aus Portugal stammenden Freunden – die sich 2007 nach ihrem Universitätsabschluss gemeinsam in London niederließen, um ihr eigenes Brand zu gründen – um die Mentoren von sich und ihrer Arbeit zu überzeugen. “Jeanswear” lautete das Schlüsselwort zum 300.000€-Fördergeld-Glück, “(…) and the undone-ness, that rawness, and the whole ’90s aesthetic”. Marques’Almeida will nicht nur gesehen, sondern getragen werden. Ausnahmsweise sogar von echten Menschen.

Vielleicht erkoren Marques und Almeida genau deshalb die 22-Jährige Sofia, Martas “grumpy little sister”, zur Muse für das Lookbook der Resort Kollektion 2016. Mit ein bisschen Glück könnten die folgenden Bilder vielleicht sogar zu Game Changern der Modewelt avancieren.

Es ist, als hätte ein verliebter Jüngling in Shorts während eines Kurztrips nach Rio permanent die alte Digitalkamera aus dem Rucksack gezückt, um seine bildschöne Begleitung auf grünen Wiesen, am nahegelegenen Strand, vor alten Mauern und landestypischen Gewächsen zu knipsen, im Automatikmodus versteht sich, ganz ohne Tiefenschärfe, der Echtheit und Erinnerungen wegen, an ihre eigensinnigen Kleider und den klugen, gut geratenen Kopf.

Wir mögen hier einer Illusion erliegen, aber nach perfekter Retusche sucht der Betrachter der Bilder vergebens, auch auf Make Up scheint verzichtet worden zu sein, man entdeckt feine Unebenheiten, kleine Narben, kaum sichtbare Rötungen der Haut. Und ist am Ende ganz verliebt in die Wahrheit, dessen Anblick beinahe in Vergessenheit geraten wäre.

Phoebe Philo, die Heldin hinter Céline, begann vor wenigen Saisons damit, das Frauenbild in der Modewelt umzukrempeln, sie verzichtete für ihre Kampagnenbilder nicht nur ab und an auf Jugendlichkeit, sondern auch auf Mascara. Ihre Entwürfe implizieren das Gegenteil von offensichtlicher Sexyness, dafür sind deren Trägerinnen umso stärker, selbstbestimmter und kultiviert. Für Philo gilt Ähnliches wie für Marques’Almeida: Wer wollen wir auf dieser Welt eigentlich sein und was wollen wir sehen? Vor allem Schönheit, die ohne Persönlichkeit nicht funktioniert. Die nicht in Zahlen ausdrückbar oder am herrschenden Ideal zu messen ist. Ist es an der Zeit, wieder mehr Realismus zuzulassen? Und sind wir überhaupt bereit dafür? Jein. Was aber passiert, wenn Schein und Sein aufeinander prallen, ist beispielsweise am Snapchat-Phänomen abzulesen. Zwischen all den gefilterten Instagram-Unwahrheiten wächst die Sehnsucht nach Alltag, nach Gesichtern ohne Fassade. Vielleicht ist das der Anfang der Umgewöhnung, vielleicht aber auch nur ein kurzer Ausflug weg von der Gesellschaft, die uns das Wettrüsten um perfide Perfektion gelehrt hat. Ich hoffe auf ersteres.

Hier gibt es die aktuelle Kollektion übrigens im Sale!

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