“Warum mich der Feminismus anekelt” – ein trauriger Artikel.

Vergangene Woche las ich einen Artikel, der mich sehr traurig machte, womöglich sogar wütend, aber auf jeden Fall ratlos. Ihr kennt ja bestimmt dieses Gefühl, wenn man auf einen Menschen trifft, dessen Intellekt sich in anderen, etwas seltsamen Sphären bewegt und ich meine damit nicht, dass dieser Jemand blöd wie ein Stück Brotkuchen sein muss, nein, höchstens ein bisschen schwer von Begriff, ganz im Sinne von “ein Wal ist sowas von ein Fisch, der lebt ja schließlich im Wasser.” In solchen Situationen kann man dann eigentlich nur noch nach Hilfe suchen. Was ich zunächst nicht tat, während ich Ronja von Rönnes Worte zum reißerischen Titel “Warum mich der Feminismus anekelt” sogar schon zum zweiten mal durchkaute, auf der Jagd nach Ironie, nach dem letzten Hoffnungsschimmer. Ich saß den Schock vielmehr ein paar Tage lang aus.

“Ich bin keine Feministin, ich bin Egoistin. Ich weiß nicht, ob “man” im Jahr 2015 in Deutschland den Feminismus braucht, ich brauche ihn nicht. Er ekelt mich eher an. Feminismus klingt für mich ähnlich antiquiert wie das Wort Bandsalat”, schreibt Frau von Rönne da nämlich schon im allerersten Satz. Es dauerte also gar nicht lange, bis ich mich (zumindest in Gedanken) heulend auf den Boden schmiss.

Nun kann man natürlich die berechtigte Frage in den Raum werfen, weshalb wir uns hier überhaupt um Medien wie Welt.de scheren. Hier die einfachste aller Erklärungen: Ich fürchte, dass Ronja von Rönne kein Einzelfall, sondern vielmehr so etwas wie das Alpha-Weibchen einer millionenstarken Anti-Feminismus-Pro-Egoismus Herde ist. Deren beliebteste Argumente für das Verschmähen feministischer Überzeugungen: Uns geht’s hier doch gut. In Afrika haben die Leute noch richtige Probleme. Und außerdem hat unsere Bundeskanzlerin eine Vagina. Wo wir wieder bei der Walfisch-Thematik angelangt wären.

In von Rönnes Artikel klingt das zum Beispiel so:

“Wenn Firmen ihre Produkte mit nackten Frauen bewerben, halte ich das für gerechtfertigt, offensichtlich gibt es ja den Markt dazu.”

“”All die alleinerziehenden Mütter, all die Frauen, die immer noch unterbezahlt werden.” Das irritiert mich. Früher hat sich der Feminismus doch durchgesetzt, weil die Frauen, die mürrisch auf die Straße gingen, selbst betroffen waren.”

“Gleichheit und Gerechtigkeit ist für den Feminismus ein Fünfzig-Prozent-Frauenanteil, außer bei Scheißjobs.”

“Ich kenne viele erfolgreiche Frauen. Keine von ihnen ist Feministin, weil sich keine von ihnen je in einer Opferposition gesehen hat. Die Feministinnen, die ich kenne, sind hingegen Studentinnen oder schreiben in der Zeitungen darüber, dass sie trotz Studium keinen Job finden.”

“Die Sternchen am deutschen Netzfeminismushimmel sind junge Menschen, die Katzen-Memes, politische Korrektheit und “niedliche Dinge stricken” zu ihren Interessen zählen. “Hihi”, kichert der Netzfeminismus, “wir sind voll ironisch!” Ich möchte lieber keine Feministin sein.”

“Das Bild vom bösen Chef, der seine Sekretärin lieber ein bisschen angrabbelt als befördert, erscheint mir fremd wie eine Welt, die ich nur aus Loriot-Sketchen kenne.”

Tja, was soll man hierzu noch sagen, mir geht die Puste aus. Und zwar auch, weil ich durchaus verstehe, was die Verfasserin dieser Zeilen uns mit auf den Weg geben will, ich bin sogar fast Fan ihres epochalen Abgangs: “Der Feminismus bleibt im Flur stehen und beschwert sich, dass Frauen keine Türen offen stehen. Bis irgendwann eine Frau kommt, über den zeternden Flurfeminismus steigt und die Tür selbst aufmacht.” Klingt beinahe wahr und sogar vernünftig, jedenfalls solange man all die kleinen fiesen Details unserer Gesellschaft ausblendet, Gender Pay Gaps etwa, Alltagssexismus und ähnlich nichtige Dinge. Vor allem aber den Umstand, dass es äußerst wagemutig wäre, die Sache mit der Gleichberechtigung und der Toleranz, mit der Chancengleichheit und dem Support untereinander einfach sein zu lassen, allein aus dem Grund, dass es uns allen hier im Vergleich schließlich super erste Sahne geht, außer den Alleinerziehenden vielleicht.

Aber was rede ich da überhaupt, mit “Problemchen” wie diesen haben Frauen wie die wilde Ronja selbstredend rein gar nichts am Hut. Dass von Rönne irgendwann einmal solo trotz Kind dastehen könnte, ist gewiss auch unwahrscheinlich, ebenso wie die absurde Annahme, jemals von einem Chef begrabbelt zu werden und falls doch, dann wird selbiger es sicher nur nett meinen. Spaß beiseite. Ich finde durchaus, dass man Feminismus scheiße finden darf. Dass man kein Femen-Anhänger sein muss und erst Recht kein Groupie von Alice Schwarzer oder Dawanda-Stickereien. Ich finde sogar, dass man infrage stellen darf, ob so etwas wie “Feminismus” heute noch vonnöten ist und wer keine Lust hat, sich mit dem Thema auseinander zu setzen, der muss gewiss nicht bekehrt werden. Macht man sich aber dennoch die Mühe, hie und da in die Thematik einzusteigen, bleibt jedem modernen Menschen eigentlich nur übrig, ganz selbstbewusst zu behaupten: Ich bin eine Feministin.

Denn Feministin sein bedeutet, keine Unterschiede zwischen den Menschen zu machen.
Feministin sein bedeutet, Rollenverteilungen zu hinterfragen.
Feministin sein bedeutet, Anderssein zu akzeptieren.
Feministin sein bedeutet, Frau sein dürfen, egal wie.
Feministin sein bedeutet, sich gegenseitig zu supporten.
Feministin sein bedeutet, selbst zu entscheiden, wer du sein willst.
Und noch so viel mehr.

Das Schönste ist: Auch ein Mann kann Feminist sein, nein, er sollte sogar. Es geht hier nicht um “Pimmel gegen Busen” um behaarte Beine, erfundene Luxus-Probleme oder die Abschaffung von Sex, sondern um den “Glauben an die gesellschaftliche, politische und ökonomische Gleichheit der Geschlechter”. Es geht um uns. Wer das nicht sehen will, hat wenig verstanden.

P.S.: LESE-TIPP!

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