Test: Petzval-Objektiv (Lomography)


Als David Uzochukwu für ein Flickr-Meetup in Bayern, an welchem ich im Sommer teilnahm, das Petzval-Objektiv organisierte, musste ich betrübt mit ansehen wie es von Kamera zu Kamera gereicht wurde. Laura Zalenga und meine Wenigkeit, die einzigen Nikon-Fotografen, blieben leider außen vor - denn das ausgeliehene Stück aus Messing und Glas besaß einen Canon-Aufsatz. Glücklicherweise verfasste ich kurz nach meiner Rückkehr aus Bayern eine Email an Lomography, mit der Anfrage, ob ich das Objektiv nicht im September testen könnte. Schließlich würde ich eh in Berlin sein und könnte das kleine Goldene einfach aus dem Laden abholen und mit zum nächsten Meetup nehmen. Die erste Antwort war ernüchternd. Vor November würde es wahrscheinlich nicht klappen, aber mein Name stünde nun auf der Warteliste. Sollte sich etwas daran ändern, werde man mich jedoch informieren. Während ich auf dem Weg nach Berlin im Fernbus saß und verzweifelt mit dem Internet im Bus kämpfte, erreichte mich dann doch die gute Nachricht, dass ich es schon Morgen abholen könnte.

So konnte ich das Petzval-Objektiv im September also für einige Tage ausprobieren.


Das Petzval-Objektiv

Doch worum handelt es sich hier eigentlich?

 Auf Wikipedia wird es als erstes Portraitobjektiv (100mm) der Fotogeschichte beschrieben. Konstruiert wurde es von Josef Maximilian Petzval im Jahre 1840 in Österreich. Die Produktion übernahm Voigtländer. Bis 1862 wurden 60.000 Stück gebaut. Ein Kickstarter-Projekt von Lomography versuchte 2013 100.000$ für eine Neuauflage zu sammeln. Am Ende der 30-tägigen Kampagne kamen fast 1,5 Millionen Dollar zusammen und so wird das Objektiv seitdem von Zenit in Russland gebaut und via Lomography vertrieben.

Doch genug der Worte. Wir befinden uns wieder in Berlin, im botanischen Garten der Stadt, um genau zu sein. Trotz einer brennenden S-Bahn habe ich es hier her geschafft und schraube nun das Objektiv an meine Kamera.
 Die Blendenscheibe wird von oben in einen kleinen Schlitz gesteckt. Zur Auswahl stehen 7 Standardsteckblenden 
(f 2,2 – f 16) und 4 experimentelle Steckblenden, welche alle zusammen in einem kleinen Beutel aufbewahrt werden.
 Für eine geringe Tiefenschärfe empfiehlt sich natürlich die Steckblende mit der größten Öffnung (f 2,2), weswegen in meinem Objektiv fast ausschließlich diese ihren Platz fand.




Einen Autofokus besitzt das Petzval leider nicht. Scharfgestellt wird mittels eines kleinen Rädchens. Hatte ich anfangs noch Bedenken, ob ich damit überhaupt scharfe Bilder aufnehmen könnte, verflog diese Angst schnell als ich Folgendes herausfand:

Tipps für scharfe Bilder:


  1. Die erste Möglichkeit ist die Verwendung von LifeView im Zoom-Modus. Das Ganze ist ein bisschen umständlich, aber es funktioniert. Mir persönlich ist diese Technik bei Portraits jedoch zu umständlich.
Hinzu kommt: Wer schon einmal Bilder mit LiveView aufgenommen hat, wird bemerkt haben, dass die Bilder am PC nicht das gleiche Format besitzen, sondern leicht beschnitten sind, da Bilder hier im 16:9 Format aufgenommen werden.
  2. Im Sucher bekommt ihr auch eine direkte Rückmeldung über die Schärfe des ausgewählten Messfeldes. Bei Nikon befindet sich der Fokusbestätigungspunkt links unten im Sucher. Zuerst setzt man das Messfeld an die gewünschte Stelle und dreht anschließend am Einstellrad, bis der kleine runde, gelbe Kreis erscheint. Mit ein bisschen Übung gelingt dies immer schneller. Unscharfe Bilder lassen sich so sehr gut vermeiden.

Natürlich funktioniert das Scharfstellen auch mithilfe der eigenen Augen, allerdings tue ich mich damit schwerer.

Und so seht ihr hier meine ersten Gehversuche aus dem botanischen Garten:









Auf den beiden ersten Bildern lässt sich gut das typische “Swirly Bokeh” erkennen, für welches das Objektiv so bekannt ist.
Am nächsten Tag zog ich dann durch Berlin und probierte das Objektiv zum ersten Mal am Homo sapiens aus.
 Ein Petzval-Objektiv auf der Kamera zu haben, fühlt sich ungefähr so an als würde man mit einem Welpen spazieren gehen. Ständig wird man darauf angesprochen, ganz gleich ob von alten oder jungen Menschen. Man kommt sehr schnell ins Gespräch und zieht ständig neugierige Blicke auf sich. Und ja, alle würden den kleinen am liebsten auf den Arm nehmen :). Auch im Internet werde ich häufig darauf angesprochen, wie ich denn dieses Effekt erzielt hätte…














Die experimentellen Steckblenden:

Mit den experimentellen Steckblenden kann man jede Menge Spaß haben und sie sorgen später oft für einen WOW-Effekt. 

Ein Bild mit der Stern-Steckblende seht ihr hier:



Im Internet gibt es auch jede Menge Vorlagen für neue Effekte, falls sich ein alter abgenutzt haben sollte:


Kritikpunkte:


Natürlich gibt es auch immer Dinge, die man kritisch betrachten sollte:
Was mir nicht so gut gefallen hat:


  1. Die Blendenscheiben lassen sich nirgends einhaken, sodass sie bei Portraits im Hochformat leicht herausfallen können. Dies ist mir bei einem Shooting auch passiert und es hat eine kleine Ewigkeit gedauert das verlorene Teil wieder zu finden.
  2. Das Objektiv wird zu den Rändern hin sehr unscharf. In der Praxis bedeutet dies, dass die Person bei Portraits schon sehr zentral positioniert werden muss. 

Ganzkörperaufnahmen aus einer gewissen Entfernung gelingen leider nur dann, wenn die Unschärfe als Stilmittel eingesetzt wird. Andernfalls sehen die Bilder eher seltsam aus.
    Beispiel:
  • Das Objektiv ist relativ schwer. An einer Vollformatkamera ist dies sicherlich weniger störend als an einem leichten Kameragehäuse.
  • Mit Gegenlicht hat das Objektiv bisweilen zu kämpfen.
    Beispiel:
  • Der letzte Punkt ist mit Sicherheit der Preis. 550 Euro sind sicherlich nicht wenig, und wer noch keine andere Festbrennweite besitzt, sollte seine Prioritäten eher hier ansetzen.


  • Fazit:

    Für wen ist das Objektiv geeignet?

    • Du bist auf der Suche nach dem besonderen Bokeh?

    • Schärfe ist nicht alles für dich?

    • Du bist gelangweilt von deinen eigenen Bildern und willst gezwungen werden etwas Neues auszuprobieren?

    • Du suchst Entschleunigung, kannst dich aber nicht zur analogen Fotografie durchringen?

    • 550 Euro sind verkraftbar wieder ein bisschen Leben in dein Hobby zu bringen?

    • Du willst mit Leuten ins Gespräch kommen? (Wer übrigens unterwegs nicht auffallen will, kann sich das Objektiv auch in Schwarz bestellen)

    Dann ist dieses Objektiv vielleicht genau das Richtige für dich :).

    Für wen ist das Objektiv nicht geeignet?

    • Du bist Anfänger und momentan schon froh, wenn der Autofokus trifft.
    • Außer dem Standard-Kit-Objektiv besitzt du nur eine Speicherkarte.
    • Das Bokeh des Petzval-Objektivs ist dir zu unruhig.
    • Portraits machst du so gut wie nie.
    • Du machst vorrangig Ganzkörperaufnahmen.
    • Du liebst Gegenlichtaufnahmen.


    Ich selbst besitze das Objektiv leider noch nicht. Trotzdem steht es sehr weit oben auf meiner Wunschliste. In der kurzen Zeit in Berlin und auf dem anschließenden Meetup im Harz sind mithilfe des Objektivs viele interessante Bilder entstanden. Und am Ende ist nur das wirklich entscheidend.
Vielleicht sollte ich auch eine Kickstarter-Kampagne ins Leben rufen. Ob sich genug Menschen finden würden, die mich schlussendlich mit einem Petzval-Objektiv ausstatten, darf bezweifelt werden. Man sollte die Hoffnung jedoch nie aufgeben :).

    Hier findet ihr noch ein Interview, welches ich vor kurzem für Lomography ausfüllen durfte.

    Positiv:



    • besonderes Bokeh (swirly bokeh)

    • analoger Charme

    • Eyecatcher, der einen schnell ins Gespräch bringt

    • Blendenscheiben mit Mustern (Stern, Tropfen), die man auch selbst bauen/entwerfen kann

    • tolle Bildwirkung an Vollformat

    Negativ:


    • Preis

    • Probleme bei Gegenlicht

    • Schärfeabfall zu den Rändern

    • Blendenscheiben können herausfallen

    • Gewicht
















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