Von Kassel über Würzburg nach Wien. Die Bahnstrecke zieht sich nicht, alles ist entspannt und ruhig. Es ist Ende Mai, der Sommer kündigt sich an und ich bin auf dem Weg in die österreichische Hauptstadt.
Vier Sommertage in Wien, eine Stadt voller Farben und ausgerechnet auf dieser Reise ich habe nur einen Schwarzweiß-Film dabei. Meine Tasche mit der Kamera lastet schwer auf den Schultern als ich in Wien Meidling aus dem Zug steige. Sogleich renne ich gegen eine Wand aus Wärme – Wien ist heiß. In Würzburg war es noch gefühlte 10 °C kühler, mein gelber Regenmantel ist hier schnell zu warm. Die Stadt zeigt mir gleich zu Beginn ihr schönstes Gesicht und bringt mich ins Schwitzen. Schnell in den Bus zum Hotel, das Orientierungssystem der öffentlichen Verkehrsmittel ist ausgezeichnet und ein Tagesticket wirklich erschwinglich.
Im Hotel angekommen werfe ich den Regenmantel in die Ecke, ich werde ihn die nächsten Tage nicht mehr brauchen. Auspacken kann ich später, denke ich, tausche Turnschuhe gegen Sandalen und Zugticket gegen Stadtplan aus und setze mir die Sonnenbrille auf die Nase. Schon beim ersten Schritt hinaus auf die Straße spüre ich die warme Sonne und laufe los in die Stadt.
Wien ist groß. Auch wenn mir das nie richtig bewusst war, ist es nicht ganz überraschend. Ich laufe durch den Gustav-Jäger-Park Richtung Mariahilfer Straße und lande einige Zeit später im Museumsquartier. Das Museumsquartier ist voll mit Menschen, die ihren Abend genießen, fast alle Sitzplätze sind belegt und fast alle haben ein kühles Getränk in der Hand: das brauche ich jetzt auch. Der Abend klingt aus.
Ich betrete das Café Prückel welches direkt an der Ringbahn liegt und freue mich über die Kellner in Anzug, die große, rosane Jubiläumsbanner mit der schönen Schrift und setze mich an einen kleinen Tisch draußen, denn es ist immer noch Sommer, es ist immer noch heiß. „Grüß Gott, was darf es sein, gnädige Frau?“ Ich bestelle Kaiserschmarrn mit Pflaumenkompott und Eis, Wiener Melange und Sachertorte, man gönnt sich ja sonst nichts.
Was mich freut: Der Herr am Tisch hinter mir, der ganz entspannt bei Wein und Zigarette ein Kreuzworträtsel löst, das ältere Pärchen neben mir bestellt sich lachend das zweite Stück Kuchen und ganz hinten, direkt unter dem rosanen Transparent, liest ein Mann sehr vertieft die Zeitung. Auch als ich gehe ist er noch da und ich hole meine Kamera aus der Tasche. Er schaut auf und sieht mich. Doch als ich fertig bin mit fokussieren und den Auslöser drücke, hat er schon wieder nur Augen für seine Lektüre.
Eine Stadt ist nur so gut wie die Kinos, die sie hat. Nur ein Paar Minuten entfernt vom Café Prückel, werde ich fündig. Fast ganz allein bin ich im wunderschönen Gartenbaukino, am Ende der Vorstellung habe ich den großen Saal ganz für mich.
Der Sommer ist auch am nächsten Tag noch in der Stadt, er macht es sich bequem und das ist eine gute Idee. Ich setze mich in die Bahn, steige da aus, wo es nach Park aussieht und suche ein wenig Schatten abseits vom Stadtrummel. In den Prater-Auen gelandet, laufe ich vorbei an Spielplätzen, Skatepark und einigen Lokalen. Viele liegen, viele joggen, viele schauen sich um. Ich schaue mich auch um, schaue nach oben, entdecke plötzlich das Wiener Riesenrad und stelle fest: Der weltberühmte Vergnügungspark ist nur ein paar Minuten entfernt. Weitläufige, ruhige und schöne Parkanlage neben Achterbahn, Riesenrad und Geisterbahn? Hach, Wien.
Um sich einen guten Überblick über die Stadt zu verschaffen, empfiehlt sich die Ringbahn. Doch zu der muss ich erstmal kommen. Ich fahre mit der U-Bahn am Praterstern wieder gen 1. Bezirk, fühle mich jedoch bei der U-Bahn Station ein wenig wie im Film Metropolis. Der Regisseur des Films, Fritz Lang, ist gebürtiger Wiener. Ob ihn die Stadt inspiriert hat?
Eine Fahrt mit der Ringbahn kostet 8 Euro. Um das Geld zu sparen, setze ich mich am Schwedenplatz einfach in die Linie 1 und steige nach ein paar Stationen um in die 2. So kann ich den Ring auch abfahren, sehe die Sehenswürdigkeiten und zahle nur mein reguläres Ticket. Das gesparte Geld investiere ich in Gefrorenes: Eine Kugel Pistazie bitte.
Einige Stunden vergehen. Meine Füße werden müde, die Sonne ist kurz davor, unterzugehen. Die Stadt wird ruhiger, denke ich, oder vielleicht laufe ich auch nur die richtigen Straßen entlang. Hier dämpft sich die Lautstärke Wiens an den hohen Fassaden der Altbauten.
Parralel zur Mariahilfer Straße findet sich im 6. Bezirk die Gumpendorfer Straße. Neben Gallerien, tollen Lokalen und einer Pizzeria mit Discokugel-Steinofen setze ich mich auf eine Bank und halte den Moment fest:
Ich lasse meine letzten Tage Revue passieren. Wien ist schön, die Hitze steht ihr ausgezeichnet und mir auch: Ich sonnte mich beim Donaukanaltreiben, fand Abkühlung in den vielen Parks. Ich frühstückte ganz ausgezeichnet bei Joseph, ließ auf dem Naschmarkt meine Seele baumeln, aß – ganz unwienerisch – Sushi im Mochi (unbedingt reservieren!) und hatte mehrere Gläser Wein im freiraum, natürlich grünen Veltliner. Die Stadt schenkte mir ein Konzert der Band Wanda (Amore!) und ließ mich auf seinen Fahrrädern durch die Straßen fahren – und das sehr komfortabel und unkompliziert.
Die Kamera stecke ich wieder in die Tasche, ein Foto ist noch drauf. Am nächsten Tag fliege ich wieder in die Heimat, spare mir das letzte Foto für den Flug. Wien, wir sehen uns bald wieder, sehr bald sogar, denke ich und laufe durch die dämmernde Stadt zurück in mein Hotel.
Dieser Artikel Wien – Eine Stadt in schwarzweiß erschien zuerst auf Reiseblog Weltenbummler Mag.