Hallo Hosenwelt!

Da steh ich vor dem Kleiderschrank und überlege, was ich anziehen soll. Es ist November, meistens ist es nass und kalt. Rolf Zukowski singt “Was zieh ich an, was zieh ich an, damit man mich besser sehen kann?”, aber ich will mich nur warm anziehen, nicht neonbunt. Was kann ich tun? Glühbirne über dem Kopf – die novemberkalte Hosenwelt betritt man am besten mit einer Hose!

Dann ziehe ich Hose nach Hose aus dem Schrank, sie liegen unten im Regal und ich greife nach Hosen, von denen ich vermute, dass sie passen: mir und zu der Strickjacke, die neben dem Bett auf dem Boden liegt. Hose eins – kann ich nicht zuknöpfen. Sie ging mal über die Hüfte und wurde am Bauchnabel zugeknöpft, jetzt kann ich sie grad bis zur Hüfte ziehen. Hose zwei: kommt kaum über die Oberschenkel. Lieblingshose aus der Herrenabteilung. Ich erinnere mich, wie die mir locker an den Hüften hing, als ich mir zu dick vorkam. Selbstwahrnehmung als Jugendliche: kaputt. So lässig sie sich mal an mir angefühlt hat, blinzle ich über den Gedanken, abzunehmen, damit das wieder gelingt, und ob ich mir mehr Mühe mit dem Stillen geben soll, um das hinzubekommen. NONONONONO! Meine Selbstwahrnehmung als Erwachsene: immer noch kein Happy Place, aber immerhin kommt schnell Widerspruch, dass ich lieber mehr Gewicht haben will, statt weniger zu werden in der Welt.
Meine bunten Lieblingshosen gleich zur Seite gelegt, die anzuprobieren wäre Slapstick. Zum Schluss doch noch eine Hose gefunden, schwarzer Cord, geht grad so zu. Schöne Hose. Über die mein Bauch so hängt, dass ich die Strickjacke auf dem Boden liegen lasse und lieber einen Pulli anziehe. Was nicht schlimm ist, mehr Gemütlichkeit mit Pulli. Was hmpff ist, weil ich mich an meinen neuen Körper noch nicht gewöhnt habe, neu mit ihm umgehen muss, nackt wie angezogen, oder mit mir, wie ich ihn sehe.

Wenn ich in den letzten Monaten mal eine Hose getragen habe, dann Schwangerschaftsjeans. Obviously. Als ich sie kaufte und das erste Mal hinein glitt, war das eine Offenbarung. Ich wollte allen Menschen predigen, dass sie unbedingt Umstandshosen tragen sollen. So unbegreiflich bequem, und den Stoffteil über den Bauch zu ziehen ist, wie sich mit der eigenen Hose schmusig zuzudecken. (Leute, echt jetzt: probiert Umstandshosen aus. So cozy!) Ansonsten Kleider. Immer Kleider. Ohne drüber nachzudenken Kleider.

Mit dem Versuch, das eigene Kind so geschlechtsoffen erziehen, wie das in einer binär sortierten Welt möglich ist, denke ich auch über mich selbst nach. Wenn das Kind größer wird und an seiner Umgebung Geschlecht lernt, was wird es sehen? Was sieht es jetzt? Dass die Mama lange Haare hat und der Papa einen Bart. Dass der Papa die Hausarbeit macht und die Mama Spinnen ins Freie trägt. Dass die Mama Kleider trägt und der Papa Hosen.

Mir fiel heute vor dem Schrank an meinen Hosen-Fails auf, dass ich tatsächlich jeden Tag Kleid trage. Kleider erleichtern morgens die Entscheidungsfindung; das einzige was dazu kombiniert werden muss, ist eine Strumpfhose. Es sei denn, dass es selbst für warme Strumpfhosen zu kalt ist oder nur die Strumpfhosen gewaschen im Schrank liegen, die ein großes Loch an den Zehen haben. Ich mag, wie meine Kleider aussehen. Meine Kleider sind gemütlich. Kleider kann ich im Internet bestellen und sie passen, ohne dass ich sie anprobieren muss. Kleider lasssen sich bei Symphysenschmerzen leichter anziehen als Hosen. (Was nicht das Problem löst, wie man in die Unterhose kommt, wenn man nicht mehr auf einem Bein stehen kann, but thank god, that’s over.) Die Kleider liegen im Schrank auf Brusthöhe, also Greifhöhe. Ich mache mir mein Kleidtragen leicht.

Gut behost auf dem Weg zur Uni überlegte ich weiter: Wie performe ich Feminität? Dass ich Kleider trage ist nicht nur an Geschmack, Sozialisation und Individuation geknüpft. Es hat hier auch mit meinem Körper zu tun. Die Kleider, die ich habe, passen sich meinem Körper besser an, als die Hosen, die ich habe. Bei Hosen bin ich krasser mit meinem Bauch konfrontiert und das ist nicht superangenehm, auch wenn es mir mittlerweile hundertviel egaler ist. Aber oh, irgendwie hat es gefehlt. Hände in die Hosentaschen stecken zu können. Mal wieder Socken tragen. Saum durch Laub zu schleifen. Hosen Herbst = <3. Oder überhaupt: Kleidung Herbst = <3

Was alles kein Plädoyer für oder gegen Hose oder Keid ist. Eher eine ausführliches Nachdenken über: Huch, ich trag ja nur Kleider. Warumndes? Ohai Körper. Lass ma mehr bequeme Hosen kaufen! /o/

Und statt bloß kurz zu droppen, was mir heute Mittag durch den Kopf ging, dreht sich der Kopf weiter herum. Kleider als Sammelbegriff, der auch Hosen einschließt. What About Teh Skirtz? Wie ich meiner immer-Hose-tragenden Omi in der Grundschule ein Bild malte, das sie im Rock zeigt, ich ihr sogar erklärte, dass ich sie mir im Rock wünschte, meinen Opa aber nicht. Und zuuufällig machte sich am gleichen Nachmittag auch Bäumchen zum Frausein, Feminität performen, Kleider tragen Gedanken. (Und will den November auch täglich bloggen. Highfive!)

(Und nach diesem novemberkalten Hosenweltregentag weiß ich wieder: an Hosen saugt sich Nässe besser das Bein hoch als an Kleidern. Na toll!)



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