Buch-Review: Daniela Emminger “Schwund”

Wir treffen uns im Pierre, unweit der Mariahilferstraße. Die dicken Wolken haben den ganzen Tag kein Sonnenlicht durchgelassen und draußen beginnt es zu nieseln. Sterbewetter sozusagen. Wie es sich für einen Novembertag gehört. Daniela, die einst in der Medienbranche (wo ich sie auch kennen gelernt habe) gearbeitet hat und dann für ihre Passion “Schreiben” alles hinwarf und dieser gerne in “klösterlicher Einsamkeit” in der Nähe Wiens nachgeht, hat 2004 bereits einen Roman (“Leben für Anfänger”) verfasst, ihr neuer ist vor wenigen Wochen erschienen und hat ihre literarischen Fähigkeiten wohl so richtig angekurbelt, denn gerade schreibt sie ihren dritten. Aber bleiben wir erstmal bei Nummer 2: “Schwund”, der die unangenehme Frage in den Raum stellt, die nur Menschen nachvollziehen können, die mit einer unheilbaren Krankheit konfrontiert sind: Dahinsterben oder dem ganzen gleich selbst entgegentreten und Sterbehilfe wählen? Was ist Sterbehilfe überhaupt und was passiert, wenn ein Mensch seine lebenswichtigen Tabletten nicht mehr nehmen möchte?
Ein Thema, das im Laufe des Buches mit absurden Wendungen versucht dem Unausweichlichen entgegen zu treten.

“Man würde ja sonst verrückt werden und man wird verrückt, wenn man den ganzen Tag nur ans Sterben denkt”, meint Daniela, die für “Schwund” auch Ärzte interviewte. Verrückt werden ihre Protagonistinnen nicht. Karla König wird von ihrer Tochter Anni aus dem Spital entführt. Sie sieht durch eine Verkettung verschiedener Krankheiten und Komplikationen ihrem Ende entgegen. Und sie hat sich dazu entschieden es selbst in die Hand zu nehmen. Sie verabschiedet sich von dieser Welt.

“Ich wollte zuerst einen anderen Titel wählen”, erzählt mir Daniela, “der mit einem Roadmovie zu tun hat.” Schließlich wurde es “Schwund”, das ihr als Wort schon immer gut gefallen hat und das im Buch als Metapher nicht nur negativ besetzt ist. Karla und Anni waren stets in einer üblichen Mutter-Tochter-Beziehung, die durch die Ausnahmesituation eine neue Wendung erfährt und sich näher kommen. Der Schwund im Buch ist aber primär vom Verfall der Mutter geprägt, deren ausgezehrter Körper sich aufzulösen scheint, aber vor der Auflösung noch viele Dinge erledigen möchte. Eine Liste wird gemacht. Ob diese auch erledigt wird, möchte ich hier noch nicht verraten. Allerdings musste ich schon einige Male schlucken, wenn man die Verzweiflung spürt, die stellvertretend für viele Menschen steht, denen es nicht anders geht. Das Buch (erschienen bei Klever) ist derzeit in jeder gut sortierten Buchhandlung finden, ansonsten ist der obligatorische Online-Weg auch da. Wer Daniela auf einer ihrer Lesungen hören möchte, die sie demnächst auch nach Deutschland verschlägt, erfährt mehr auf ihrem Facebook Account.

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