Spaziergang durch die Modegeschichte

Am letzen Wochenende hat das Kunstgewerbemuseum Berlin nach dreijähriger Schließung wiedereröffnet und erstmals das neue Profil mit dem Schwerpunkt Mode präsentiert: Eine Galerie führt dabei durch drei Jahrhunderte europäischer Modegeschichte vom 18. bis zum 20. Jahrhundert und etabliert damit endlich eine Dauerausstellung zum Thema Mode und Accessoires in Berlin. Auf das Ergebnis war ich sehr gespannt und ich habe mir die Ausstellung am Samstag angeschaut: In abgedunkelten Gängen mit großen, eingebauten Vitrinen lädt die neue Modegalerie dazu ein, an verschiedenen Epochen und Stilen wie an einem Zeitstrahl entlang zu flanieren und ganz in diese Welt einzutauchen. Es ist eine spannende Reise durch die Fashiongeschichte, die den Wechsel der Moden, der gefragten (Frauen-)Typen und Silhouetten im Wandel der Zeiten erlebbar macht. Gerade weil wir in der heutigen Mode ständig mit Zitaten und »Revivals«konfrontiert sind, ist es faszinierend die »Originale« zu bewundern und zu sehen, dass viele der Kleider auch heute noch nicht an Modernität verloren haben.

Grundlage der Ausstellung, die den Fokus auf Damenmode legt, bildet die 2009 angekaufte Privatsammlung Kamer/Ruf, die als eine der besten europäischen Modesammlungen gilt. Der Luzerner Kunsthändler Wolfgang Ruf führte eine Galerie die auf den Handel mit historischen Textilien spezialisiert war. Martin Kamer, Bühnen- und Kostümbildner, studierte in den 60er Jahren Kostümkunde in London und arbeitete viele Jahre für das Ballett und die Oper – u.a. mit Tänzerlegende Rudolf Nurejew. Über 30 Jahre hat er Kleider, Hüte und Schuhe aus drei Jahrhunderten auf Flohmärkten und in Auktionshäusern gesammelt. Ein Vermögen soll er dabei für historische Kleider und Kostüme ausgegeben haben. Bis zum Ankauf war dieser Schatz in seinen Wohnungen in London und Basel untergebracht. Insgesamt umfasst die Sammlung 1572 Exponate: 660 Kleider, darunter allein 99 höfische Damenroben aus seltenen und edlen Materialien aus dem 18. Jahrhundert, und über 900 Accessoires. Im Bestand aus dem 19. und 20. Jahrhundert finden sich wichtige Designer wie Frederick Worth, Paul Poiret, Mariano Fortuny, Coco Chanel, Madeleine Vionnet, Elsa Schiaparelli, Cristobal Balenciaga, Madame Grès, Christian Dior, Yves St. Laurent, André Courrèges, Paco Rabanne, Vivienne Westwood und Gianni Versace.

Promenandenkleider aus dem 19. Jahrhundert

Aktuell sind in der Dauerausstellung rund 130 aufwendig aufbereitete Kostüme zu sehen und ebenso viele Accessoires. Der Rundgang im Erdgeschoss beginnt mitte des 19. Jahrhunderts und präsentiert historische Promenaden- und Ballkleider. Mit Krinolinen, der Tournüre und dem Korsett steht diese Mode im Zeichen des extremen Wandels der weiblichen Silhouette durch die künstliche Formung des Körpers. Auch diese Mechanismen legt die Ausstellung durch den Blick unter die Kleider mit Exponaten frei. Als wichtiges historisches Zeugnis kann ein sogenanntes »Informelles Hauskleid« aus Seide und Samt angesehen werden, das vom Engländer Charles Frederick Worth entworfen wurde. Er eröffnete 1856 in Paris ein eigenes Modehaus und gilt heute als »Gründer der Haute Couture«. Worth war auch der erste Designer, der seinen Namen als Etikett in die Kleider einnähen ließ – eine Praxis, die heute nicht mehr wegzudenken ist.

Informelles Hauskleid, Charles Frederick Worth, Paris 1882/83

Die nächste Station umfasst die Jahre 1900 bis 1945: Mit Kreationen von Paul Poiret, der mit seinen fließenden, von der Antike inspirierten Kleidern eine Reformation der Frauenmode und damit eine Gegenbewegung zur unnatürlichen Verformung des Körpers des späten 19. Jahrhunderts etablierte. Die Reise führt weiter vorbei an dem »Delphos«-Kleid von Mariano Fortuny – eine Robe aus hauchdünnem plissierten Seidensatin, dessen Herstellung der Designer sich 1909 in Paris patentieren ließ. Ausgestellt sind außerdem eine Auswahl wunderschöner Abendkleider aus den 20er und 30er Jahren, Kostüme der »neuen Sachlichkeit« mit Entwürfen von Coco Chanel sowie (Nach)-Kriegsmode.

Abendkleid Delphos, Mariano Fortuny

Ein kleines Schwarzes von Yves Saint Laurent und pastellfarbene Cocktailkleider von Cristóbal Balenciaga und Christian Dior weisen den Weg in die 50er Jahre und darüber hinaus geht es weiter in die 60er, 70er und 80er Jahre. Das aktuellste Ausstellungsstück wirft einen Blick in das 21. Jahrhundert: Es ist das Hochzeitskleid, das Viktor & Rolf 2006 für H&M entwarfen. Angelehnt an den Laufsteg, bildet dieses Kleid auch das Finale des Rundgangs.

Etwas irritierend finde ich, dass der Beginn dieser modischen Zeitreise, mit dem 18. Jahrhundert und der Biedermeiermode, in die erste Etage verlegt wurde – so werden die Chronologie und Dramaturgie der sonst sehr gelungenen Ausstellung doch etwas unterbrochen. Auf diese Weise habe ich aber immerhin auch einen kleinen Spaziergang durch die anderen Abteilungen, wie dem Jugendstil und Art déco, unternommen.

Damenkleid ›robe à la française‹, England, um 1765

Auch wenn ich zugeben muss, dass das Kunstgewerbemuseum Berlin meiner Meinung nach (noch) nicht in der Liga eines Designmuseums wie dem Londoner V&A spielt und mich die Gesamtpräsentation leider nicht so ganz überzeugt hat, ist die Modesammlung auf jeden Fall beeindruckend und zu empfehlen! Die Ausstellung bietet mit bedeutenden Designern und Exponaten einen eindrucksvollen Querschnitt der Mode- und Kulturgeschichte und macht einfach Spaß!

Sollten im Laufe der Zeit noch wechselnde Sonderausstellung, vielleicht auch in Kooperation mit anderen Berliner (Mode-)Institutionen, stattfinden oder weitere Schätze aus dem Fundus der Kamer/Ruf-Sammlung ausgestellt werden, könnte es doch noch eines meiner Lieblingsmuseen in Berlin werden!

Bildnachweis Beitragsfoto: Brautkleid aus dem Amsterdamer Modehause Viktor & Rolf aus dem Jahr 2006, entworfen für H&M. Copyright: Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum

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