Marianna HW

Mit Adolf auf dem Gipfel

Es folgt ein Beitrag von Malte:

Mit dem Skifahren ist es folgendermaßen bestellt: Man fährt mit einem Lift einen Berg hinauf und diesen dann auf Skiern wieder hinunter. Unten angekommen steigt man in einen Lift, fährt einen Berg hinauf und diesen dann auf Skiern wieder hinunter.

Oft gibt es Variationsmöglichkeiten: man kann einen anderen Lift wählen und dann einen anderen Berg hinunterfahren; man kann sich bei der Abfahrt auf der Piste mal mehr rechts, mal mehr links halten oder einfach in der Mitte bleiben; man kann das mal langsam, mal zügig machen oder auch ganz schnell. Vielgestaltig kann das Skifahren also sein, zuverlässig bleibt das Schema: Hoch, runter, hoch, runter und so weiter und so fort. Das ist nun nichts Schlechtes, aber man muss es mögen. Wenn man es mag, wird man auf den Bergen um das Eisacktal in Südtirol auf seine Kosten kommen.


Südtirol, das bedeutet Italien beziehungsweise: südlich ist der Rest von Italien, zu dem viele Südtiroler gerne ein gespaltenes Verhältnis hätten, im Norden ist Deutschland, muss auch nicht sein. Die Südtiroler vereinen, wie mir ein solcher in aller Bescheidenheit sagte, die besten Eigenschaften der Deutschen und die besten Eigenschaften der Italiener auf sich, also: Ordnung und Dolce vita (Unwillkürlich fragt man sich, was wohl bei einer Verbindung der schlechtesten Eigenschaften herauskäme: Unpünktliche Nazis?).
Mondäner Nabel des Eisacktals ist Brixen, das durch die selbstverständliche Zweisprachigkeit von jedermann etwas Weltläufiges erhält, das man ihm nicht ohne Weiteres ansieht. Mitten in der Stadt befindet sich das Hotel Pupp, betrieben von der gleichnamigen Familie. Die Pupps sind eigentlich Konditoren, was man der Architektur des Hauses aber nicht anmerkt. Das Hotel sticht heraus, ist es doch bestimmt von einer erfrischenden Bauhaus-Ästhetik, die sich in Brixen eher selten zeigt. Etwas überaus Seltenes, wohl ein Unikat ist der Balkon meines Zimmers gewesen. Da die Aussicht scheußlich sein soll, hat man sich kurzerhand entschlossen, eine drei Meter hohe Betonmauer um den Balkon zu ziehen. Man hat hier ohne Zweifel an Kant gedacht, der ja auch nichts weiter brauchte als den „bestirnten Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir“; wer bedarf da noch einer freien Sicht?

Wenn man doch begierig ist, in die Ferne zu schauen, dann lohnt sich der Gang aufs Hoteldach. Von hier aus hat man nicht nur einen phänomenalen Blick über Brixen und weite Teile des Eisacktales, sondern man kann diesen auch noch im Whirlpool genießen kann, der quasi ständig einsatzbereit ist. Das entschädigt dann ein wenig für die Guantanamo-Suite.



Aber bei so viel Bergen hat man natürlich sowieso oft genug eine großartige Aussicht, einer der unstrittig schönen Nebeneffekte des Skifahrens.
Wer sich eben das nicht alleine traut, kann sich selbstverständlich auch eine Skilehrerin oder einen Skilehrer nehmen, denen abgesehen von ihren herausragenden Skifahrqualitäten eines gemeinsam ist: sie sehen alle ungeheuer gesund aus, was sicher von dem vielen hoch und runter kommt. Wenn man besonderes Glück hat, wird man von dem über siebzigjährigen Skilehrer Adolf angeleitet, der wie das Königsbeispiel für die gesunde Wirkung des Skifahrens anmutet. Adolf ist nicht nur ein hervorragender Lehrer, er ist auch ein Charmeur alter Schule und so weiß er die Damen zum Schneepflug zu ermuntern, indem er sie darauf hinweist dass ihnen das Beinebreitmachen ja geläufig sein müsse.

Skilehrer Adolf und die Gruppe

Da erinnert man sich des Lateinunterrichts und daran, dass Juvenals „mens sana in corpore sano“ nicht bedeutet, das in einem gesunden Körper auf jeden Fall ein gesunder Geist steckt, sondern dass es so sein möge. Es ist eine Bitte an die Götter, der nicht immer entsprochen wird.
Zweifelsohne mit dem Segen der Götter bedacht ist das Eisacktal: nicht nur die wunderschöne Landschaft, die fast durchgehend freundlichen Menschen, die stets Hochdeutsch mit einem sprechen, sondern auch das hervorragende Essen und die vorzüglichen Weine sorgen dafür, dass man sich hier sehr wohl fühlt. Und wer nach einem langen Tag abends im Restaurant des reizenden und noblen Hotels Elephant sitzt, beim vierten Gang und der dritten Flasche Wein, der ist dem Glück so nah, dass er selbst das Skifahren dafür auf sich nimmt.

Dieser Artikel Mit Adolf auf dem Gipfel erschien zuerst auf Reiseblog Weltenbummler Mag.

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