Über kuratierte Sortimente, interaktiven Handel und die DNA von Marken

Das hier ist nicht der Ort für Sprachkritik. Aber gegen drei Unsitten, die sich aktuell in der Fachsprache der Modeleute eingenistet haben (und die sogar von manchen Medien gedankenlos verwendet werden), möchte ich dann doch mal anschreiben.

1. Früher haben Modehändler eingekauft. Ein Sortiment zusammengestellt. Marken ausgewählt. Heute wird “kuratiert”. Als betrieben Kaufleute Kunstausstellungen. Gut – was die Frequenz angeht, nähert sich der Fachhandel dem Museumsbetrieb leider zunehmend an, manche Läden sogar beim Lagerumschlag. Ansonsten folgt die Präsentation von Mode aber doch einem ungleich profaneren Zweck. Und der besteht (noch) nicht im Showrooming. Sich vom Betreiber zum Kurator einer Boutique aufzuschwingen, ist dann doch ein wenig wichtigtuerisch.

2. nennt der Bundesverband des Versandhandels, pardon der Bundesverband E-Commerce- und Versandhandel (BEVH) die eigene Branche neuerdings “interaktiver Handel”. Das soll wohl berücksichtigen, dass die Versender auch online verkaufen, es soll natürlich modern klingen. Und im Unterschied zum Katalog ist das Internet tatsächlich ein interaktives Medium. Das Problem ist nur: der stationäre Handel ist es auch! Was anderes als Interaktion passiert denn im Laden zwischen Kunde und Verkäufer? So er denn einen zu fassen kriegt, aber das ist eine ganz andere Geschichte. Spätestens an der Ladenkasse wird jedenfalls interagiert. Bleiben wir also lieber beim Begriff “Distanzhandel”. Gut möglich ist freilich, dass im Begriff “interaktiver Handel” der Anspruch des BEVH mitschwingt, den gesamten Handel zu vertreten (und diese Konkurrenz zum Handelsverband HDE gibt es mit dem zunehmenden Omnichanneling ja tatsächlich). Aber dann sollten die Funktionäre lieber einfach nur von “Handel” sprechen.

3. Wer als Markenanbieter etwas auf sich hält, der redet von seiner “DNA”. Der Begriff hat die “Heritage” abgelöst. Um es mit Loriot zu sagen: Früher war mehr Patina. Wer mit Historie nicht dienen kann, sondern einer Powerpoint-Präsentation entstammt, der bemüht gerne die Desoxiribonukleinsäure. Eine fragliche Referenz. Sind die Kunden wirklich am Erbgut einer Marke bzw. eines Produkts interessiert? Oder nicht viel mehr am Nutzen?

Das Schöne – oder besser gesagt – Charakteristische am Modebusiness ist, dass diese sprachlichen Unsitten demnächst wahrscheinlich von anderen It-Termini abgelöst werden.

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