Middelhoffs Absturz

Eine Woche danach ist alles gesagt. Nur noch nicht von mir. Kaum jemand wird die Volten der diversen Middelhoff-Prozesse im Detail noch verfolgt haben. In bleibender Erinnerung sind allenfalls der Fenstersprung und die Piaget-Versteigerung. Die Verurteilung und Inhaftierung des früheren Arcandor-Chefs ragten am vergangenen Freitag dann aber doch aus dem Newsstream und lockten die Leitartikler an die Tastaturen.

So machte der Spiegel Big T. zu Bad T. “Wenn das Gericht Sinn für Humor besitzt, lässt es Middelhoff per Helikopter aus der Haftanstalt einfliegen”, feixte Gabor Steingart in seinem Morning Briefing. Handelsblatt-Chefredakteur Hans-Jürgen Jakobs kritisierte dagegen die Überhärte des Urteils: “Sicher sind im Berufsleben des Thomas Middelhoff Exzesse festzustellen. Aber auch das Urteil ist in der Höhe des Strafmaßes ein Exzess.” “Volkszorn ist kein Haftgrund,” sekundierte der Hausjurist der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl. Die Verhaftung im Gerichtssaal sei unangemessen gewesen, Verdunklungsgefahr bestehe bei Middelhoff ja nicht. “Er ist kein Dunkelmann, sondern ein Dünkelmann.”

Stefan Winterbauer (Meedia) sah im Absturz Middelhoffs ein Signal an die Kaste der Abgehobenen. Und an uns alle: Ein kleiner Middelhoff stecke schließlich in jedem von uns. In den Vorstandetagen werden sich jetzt die Duckmäuser vermehren, prognostizierte Rainer Hank entsprechend in der FAS. Der neue Moralismus vertreibe die Exzentriker und Charismatiker. “Ob die Langeweiler mehr für den Wohlstand der Nationen leisten?”

Die Frage ist natürlich, ob Middelhoff etwas für unseren und nicht vielmehr nur für seinen eigenen Wohlstand getan hat. Ob man ihm wegen Untreue den Prozess gemacht hätte, wenn er unternehmerisch Erfolg gehabt hätte? Compliance tangiert vor allem die Loser.

Die Frage nach Middelhoffs unternehmerischer Leistung stand im Gerichtssaal nicht zur Debatte. Der Blick zurück ist dennoch spannend, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse um Karstadt. Wer die mittlerweile über 20jährige Leidensgeschichte des ehemals führenden deutschen Handelskonzerns verfolgt hat, weiß, dass Middelhoff in Essen von Anfang an auf verlorenem Posten stand. Der Allein-Schuldige am Niedergang von KarstadtQuelle/Arcandor, den viele jetzt in ihm sehen, ist er mit Sicherheit nicht.

Gestartet war Middelhoff 2004 als Sanierer, der es sich und den anderen nach seinem ruhmlosen Abschied bei Bertelsmann zeigen wollte. Zweifellos hat er den Konzern 2005 vor dem Untergang gerettet. Sein Meisterstück lieferte er mit der Integration des Reiseveranstalters Thomas Cook ab. Aus dem Handelskonzern KarstadtQuelle wurde die Finanzholding Arcandor, deren wichtigstes Geschäft der Tourismus war.

Geschickt fädelte Middelhoff den Verkauf etlicher Tochterunternehmen ein. Dass Hertie, SinnLeffers und Wehmeyer später Insolvenz anmelden mussten, war ihm nicht anzulasten, hinterließ aber einen schalen Nachgeschmack. Ähnlich der Fall Neckermann. Middelhoff vermarktete das Traditionsunternehmen wie ein heisses Internet-Start-up. Am Ende musste er Neckermann.de, wie die Zeitungen damals schrieben, noch eine Mitgift bezahlen. Nach der Übernahme durch Finanzinvestor Sun steckt das Versandhaus in der Dauerkrise, die dann 2012 zum endgültigen Aus des Unternehmens führte.

Middelhoffs Mission war die Rettung und Mehrung des Schickedanzschen Familienvermögens. Darin ist er letztlich gescheitert. Er war ein Dealmaker und kein Retailer. Das operative Geschäft im Versand und in den Warenhäusern überließ er anderen. Das kann man ihm an sich nicht vorwerfen. Dass er so viele Fehlbesetzungen im Management zuließ, aber schon. Das Operative war nicht seine Expertise, und letztlich interessierte es ihn womöglich auch nicht. Stattdessen bastelte er an der ominösen Deutschen Warenhaus AG, zu der es nie kam und die es in der von vielen ausgemalten Form auch niemals geben wird.

Es entbehrt nicht der Ironie, dass in diesen Tagen, wo Middelhoff sich juristische Scharmützel mit Weggefährten aus der Arcandor-Zeit liefert, Karstadt erneut ums Überleben kämpft. Bislang sieht es so aus, als erschöpfe sich die Fantasie des Managements darauf, Mitarbeiter und Lieferanten zur Kasse zu bitten. Das kennt man von früheren Sparrunden. Man wird die Zitrone nicht ewig auspressen können. Ein zukunftsfähiges Konzept fürs Warenhausgeschäft ist nicht in Sicht. Und vielleicht auch gar nicht ernsthaft gesucht. Für die Häuser werden die neuen Eigentümer ziemlich sicher schon eins haben.

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