Slowfood und -fisch und Bloggertreffen in Bremen


Man duzt sich halt. Nicht nur sich. Auch die Produkte - irgendwie. Wer kostet, trinkt sozusagen Bruderschaft. Es ist alles echt, nah, öko. Und es ist Startup. Web 2.0. Zudem effizient – im wertschöpfendem Sinne. Und nachdenklich. Ehrlich. Glücklich. Spiegelt genau das, was die Menschen sind. Wie gesagt, man duzt sich.
Die Idee SlowFood ist nicht nur in der Zubereitungsart das Gegenteil von FastFood, sondern auch im Denken, der Produktion, ja im Stil – und ganz besonders im Lebensgefühl. Es geht darum ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass etwas zu kaufen, zu konsumieren ganz und gar nix Passives ist, sondern im Gegenteil immer auch eine Entscheidung für Etwas beinhaltet. Durch den Kauf bestimmter Lebensmittel nimmt man unmittelbar und direkt Einfluss auf den Markt und dessen Produktionsverhalten. SlowFood ist eine weltweite Non-Profit Organisation mit rund 100.000 Mitgliedern, die allesamt bewusst genießen wollen - sich für Artenvielfalt, Nachhaltigkeit, artegerechte Tierhaltung, Regionalität einsetzen und den Dialog zwischen Produzenten, Händler und Verbraucher pflegen. Eine Idee, hin zu mehr Bewusstsein und Mündigkeit, wenn es um Lebensmittel geht. Nicht rumsitzen – und nix tun. Sondern gemeinsam Alternativen schaffen, von denen alle nicht nur etwas, sondern mehr haben.
Wie der Name SlowFisch schon sagt, stand im Fokus der Bremer Messe vom 9.-11. November alles rund um den Fischereibetrieb. Was mich als Vegetarierin zwar nicht in kulinarischer Hinsicht interessiert hat, aber zum einen gab es auch genug Aussteller, die mich auf meine Kosten haben kommen lassen, ;) und zum anderen haben mich die vielen Ideen und Konzepte in Bezug auf verantwortungsvollen und nachhaltigen Fischfang interessiert.
Besonders spannend fand ich die Idee „Fisch von Kutter“: In diesem Zusammenschluss von Fischern wurde ein Netzwerk zur Direktvermarktung von wirklich frischem Fisch aufgebaut: Denn die Verbraucher können sich ihren Fisch direkt vom Fischkutter abholen. Und das fuktioniert so: Via SMS schicken die Fischer ihren genauen Tagesfang an die Internet-Plattform www.fischvomkutter.de. Dort kann dann jeder genau einsehen, was in wenigen Stunden am Hafen ankommt und in den meisten Fällen einfach via Telefon mit dem jeweiligen Fischer in Kontakt treten, um sich den Fisch zu reservieren. Das spart lange, wirklich lange Transportwege, denn der Fisch wird andernfalls üblicherweise erst nach Holland oder Dänemark auf den Großmarkt gekarrt, um von dort wieder zurück zu den Zwischenhändlern zu tuckern. Erst dann gelangt er zu den Verbrauchern und entsprechend ist der vermeindlich frische Fisch in der Regel bis zu 14 Tage alt. Und übrigens: Wisst ihr, wie man diese Fische nennt? Reisefische (Wörter können ja so dermaßen zynisch gucken)....Zusätzlicher Bonus ist, dass der Direktverkauf sich finanziell sowohl für den Verbraucher, als auch für den Fischer lohnt. Na, wenn das kein Lehrbuchbeispiel für eine Win-Win-Situation ist, dann weiß ich auch nicht! Auf der Messe gab es eine Vielzahl solcher Projekte und Unternehmen. Deutschlands erste Bio-Muscheln waren z.B. vertreten. Oder man konnte lernen, wie man auch besonders grätenreichen Fisch verarbeiten kann.
Aber wie gesagt, gab es neben Fisch noch eine ganze Reihe mehr: Es gab veganes Wildkräuter-Pesto in kompostierbarer Verpackung. Kaffee, der, um die dortigen Bauern zu unterstützen, im Erzeugerland Brasilien geröstet wird. Und Burger, Pizza, richtig viel und guuuten Käse. Ach und Nougat zum Umfallen gut. Und Gewürze – wirklich viele Gewürze. Außerdem. Wer mochte, konnte beim Sternekoch Tilmann Hahn probieren. Er ist einer der wenigen seiner Zunft, die auf regionale und saisonale Produkte achten.
Wir wurden auf orwell’sche Verrücktheiten hingewiesen, wie dass Vorzugsmilch auf der Verpackung nicht als „frisch“ deklariert werden darf, der ganze homogenisierte und pasteurisierte Kram hingegen schon. Es gab Kakaokonfekt, das einem die Schuhe auszog. Echt so was von lecker! Und einmalig schöne Pfeffermühlen. Jede Menge Wein, Bier und Brennereien. Augustus Rex präsentierte z.B. ein Sortiment aus über 80 sortenreinen Bränden und Likören, hergestellt aus ausschließlich vollreifem Obst. Welches sie auf der gezielten Suche nach alten Obstwiesen (wieder)entdeckt haben. Dabei konnten sie sogar einen Bestand des schon als ausgestorben betitelten „Böhmischen Rosenapfel“ ausmachen! Ja. Generell war Artenvielfalt ein großes Thema auf der Messe. Es gab z.B. Produkte von und aus dem Augsburger Huhn. 2005 wurden gerade mal 200 Tiere gezählt! Oder auch Käse von der Thüringer Wald Ziege, die vor den Toren Bremens in einem kleinen Betrieb gehalten wird. Für die Ziegen gibt’s dort ganzjährigen Weidegang und regionales, biologisches Futter.
Ach. Ich könnte noch so viel mehr spannende Menschen, Betriebe und Konzepte aufzählen. Es gab insgesamt etwa 160 Aussteller. Einige davon habe ich vor dem Bloggertreffen mit der Freundin des guten Geschmacks und Madame Gourmetbüdchen besucht und durchprobiert. Andere nach der Messeführung mit den Herren Wurstsack und Küchenjunge. – Und trotzdem, wie das immer so ist, habe ich längst nicht alles gesehen!

Last und ganz und gar nicht least: An dieser Stelle ein dickes Dankeschön an die tolle Organisation (WLAN-Zugang, Informationsbroschüren und Kekse gab es für uns Blogger – was will man mehr) und die interessante und nette Begrüßung von Frau Dr. Ursula Huson (Vorsitzende SlowFood Deutschland) und Herrn Robert Friedenberger (SlowFood Qualitätskommission). Danke für die vielen Denkanstöße, die spannenden Einblicke und den lockeren Stuhlkreis. Ich freue mich auf’s nächste Jahr!


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