Gesprächsstoff: Trends werden nicht mehr auf der Straße gesetzt – sondern wieder auf dem Runway

Juhu ihr Lieben! Eine Runde Gesprächsstoff anlässlich der Fashion Weeks:

Wenn ich mir die Streetstyle-Bilder ansehe (und die Entstehung auch live vor Ort in NYC und London gesehen habe), dann ist es nicht nur ein alltagsferner Styling-Zirkus, über den wir schon oft diskutiert haben, sondern auch eine Umkehrung gewisser Trends.

Vor etwa 3,4 Jahren wurde durch Blogs und Streetstyle-Fotografie die modische Demokratisierung gefeiert, einhergehend mit den Trends von der Straße. Denn die wurden, das kann man nicht leugnen, inzwischen auf der Straße gemacht, nicht mehr auf den Runways. Vielmehr haben die Designer sich von dem inspirieren lassen, was international auf den Straßen der hippen Großstädte los war.

Schaue ich nun, was die Fashionistas und Redakteurinnen tragen bei den Modewochen tragen (und das ist es ja, was später auch auf Blogs und in den Magazinen landet), wird eines klar: die Trends werden wieder auf den Laufstegen gesetzt. Nicht anders herum. Denn die Damen tragen ausschliesslich Designerware, Head to Toe Looks, Blogger werden von den Labels von Kopf bis Fuß ausgestattet.

Viele Dinge, die wir im Februar/März auf den Laufstegen gesehen haben, setzen sich nun durch (Khaki, Schlaghosen, Taillengürtel, Overknees) – was meint ihr, hat sich damit nun nicht ernsthaft das Streetstyle-Gedöns erledigt und wird nur noch als zusätzlicher Werbeblock vor den Schauen genutzt?

Alexa: Mmmh. Ich war nicht bei der Fashion Week, aber ich glaube, keiner der “Blogger-Stars” macht bzw. trägt mehr was umsonst oder stylt sich ohne Kalkül. Auch die Blogs und Magazine, welche die Bilder auf ihren Seiten zeigen oder abdrucken, verdienen mit Editorials, Anzeigen und Verlinkungen ihr Geld. Logisch also, dass die nach “Streetstyles” mit Designermode als solche mit unbekannten Vintage-Fummel fragen. Es ist ein Business geworden, jedes Bild ist Geld wert.

Kerstin: Ich bin ja gerade direkt am Ort des Geschehens in Mailand bzw jetzt in Paris. Vor den Schauen genau das oben beschriebene Bild. Teilweise extrem peinlich gekünsteltes Posing einzelner, die den Komplett-Look der Designer tragen, ohne auch nur eine kreative Abwandlung. Da bekommt man wirklich den Eindruck von Litfaßsäulen verpackt in der neusten Must-Have-Kampagne. Da beiße ich gedanklich in die Zitrone und trauere um die verlorene Inspiration, die man noch kürzlich in den Straßen der Modestädte erfuhr.

Doch vielleicht müssen wir umdenken! Sind die ewig abgelichteten immer gleichen Mode-Protagonisten die neuen Modemagazine? Werbeflächen à la Reality TV. Möglich wärs. Denn unweigerlich drängt sich der Gedanke auf, wie viel die Designer auf den Tisch legen, um die begehrte Fläche einer (verhungerten) Modejournalistin oder die des It-Girls mit ihren Komplett-Look zu bekleistern?! Ich lege die Hoffnung in die Hände der mutigen Fotografen, die mal wieder Modetrends vor die Linse holen und keine Litfaßsäulen. Da muss natürlich auch der Auftraggeber mitspielen. Das wird wohl noch lange dauern.

Jessie: Eben. Denn es laufen ja durchaus toll und individuell gekleidete Menschen bei den Modewochen herum (in London war das zB wirklich toll!) – aber die landen nie auf den Websites. Letztlich suchen sich Instyle, Grazia und Co ja die Streetstyle-Looks aus und briefen die Fotografen und Agenturen genau, wen sie da vor der Linse haben wollen.

Kann man das also behaupten: Es ist ein neues Businessmodell, das an Bedeutung gewonnen hat und gleichzeitig den Fokus zurück auf die Designer lenkt. Denn die haben künftig wieder die Zügel in der Hand. Oder?

Hanna: Ich war nicht gerade in NYC und London, aber wenn mich etwas abturnt, dann sind es zwei Dinge: inszenierte Bilder (die uns dann noch als Streetstyle verkauft werden) und Head-To-Toe Designer-Looks. Ich glaube nicht, dass das Streetstyle-Dings tot ist, denn tolle Leute mit Authentizität und Stil laufen ja da draußen nach wie vor rum. Es ist immer nur die Frage, wer es fotografiert. Und wo. Die Horde vor den Schauen ist nicht da, wo ich mir diese Looks vorstelle oder selber sehe: auf einer Straße in Paris, beim Bäcker in Berlin oder vor einem Verlagshaus in London, wo viele Frauen mit Geschmack ein und aus gehen.

Diesen Moment einzufangen ist für mich keine Kunst mehr – sich vor den Schauen zu verkleiden, zu posen oder eben zu knipsen. Fashionweeks ziehen nun mal aber auch echte, auch mal unbekannte Stil-Garanten an und ich finde es klasse, wenn Fotografen schaffen, diese einzufangen. DAS inspiriert MICH nämlich!

Tine: Vielleicht muss man auch trennen zwischen Streetstyle-Bildern und Bildern von Fashionistas vor den Schauen. Den Charme des Streetstyles macht ja gerade das Unperfekte aus. Eigentlich kann man nicht mehr von Streetstyle sprechen, wenn sich modeaffine Menschen anlässlich der Fashion Weeks treffen, da ist dann ja schon Kalkül dahinter.

Julia: Ich bin gerade in Paris und habe hier auch das Gefühl, dass nicht die nettesten oder sympathischen Menschen abgelichtet werden, die modebegeistert sind und toll aussehen, sondern jene, die ihr Äußeres als Business (Litfaßsäule trifft es, Kerstin!) vermarkten. Und damit meine ich nicht die Models. Die kriegen es irgendwie immer hin ihre (meist geschenkten) Designerstücke individuell zu inszenieren. Ob das jetzt sehr authentisch ist, sei dahin gestellt, aber komplett Looks an überstylten Modeaffen machen mich wahnsinnig. Die Fashionistas sind mittlerweile zu Mode-Promis geworden und werden abgelichtet egal was sie tragen.

Die wirklich toll und inspirierend gekleideten Menschen findet man mittlerweile auf keinem Blog mehr. Immer nur die selben It-Faces. Das muss doch auch den ausstattenden Designerin irgendwann negativ auffallen…

Was ich noch hinzufügen wollte: Streetstyle-Fotografie ist ja auch für die Macher zum Business geworden und es verkaufen sich nunmal nur die Bilder mit Gesichtern, die den Lesern bekannt sind. Die Fotografen schießen meiner Beobachtung nach fast nur noch bekannte Menschen, wie schon gesagt, egal was sie tragen. Es geht nicht mehr darum das modische Straßenbild festzuhalten sondern um Kohle.

Paris: Streetstyles nach Chanel

Kerstin: Manchmal wünsche ich mir, dass der Zirkus vor den Shows generell aufhört. Ich würde mich gerne chic machen, aber eben diesen Stress vor den Shows nicht haben. Die letzten zwei Jahre ist der Druck erheblich gestiegen, perfekt auszusehen. Das macht mich schon mal ganz irre. Ich bin ja zum Einkaufen da und liebe auch die Shows, um den Spirit der Marke zu fühlen. Klar mag ich auch die tollen, gestylten Menschen und Fotografen. Aber doch alles ein bisschen gemäßigter. Nicht so zwanghaft.

Jessie: Total! Aber wir driften ab – meine These dadurch ist ja, dass die Trends wieder auf den Runways gesetzt werden. Oder?

Julia: Haha. Würde ich auch meinen! Trends schaue ich mir ganz sicher nicht bei ausgestatteten It-Girls oder Fashionistas ab. Dann doch lieber auf den Laufstegen wo wahrhaft innovative Designer am Werk sind! Sie erschaffen teilweise echte Traumwelten – die Show von Dries van Noten hat mich umgehauen – die auch subtil inspirieren und nicht nur darauf abzielen, die neuesten Must-haves zu zeigen.

Kerstin: Grob gesagt ja. Die Designer setzen die Trends. Inspirieren sich natürlich überall, doch bestimmt nicht an hopsenden Modeschauenbesucher. Die tragen den Trend der Designer eben in die Welt. Ich bin ganz deiner Meinung!

Und, was denkt ihr?

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