Diese Woche: Berlin

Die Berlin Fashion Week hält es mit Mark Twain: “Die Nachrichten über meinen Tod sind stark übertrieben”, schrieb der Schriftsteller vor über 100 Jahren. Berlin zeigte sich in diesen Tagen tatsächlich putzmunter. Es war eigentlich wie immer: Die Händler kamen, um sich inspirieren zu lassen und ihre Saisonplanung feinzutunen. Die Lieferanten waren im Verkaufsmodus und versuchten die Schreckensnachrichten der letzten Zeit (Umsatzeinbruch im Herbst, Russland-Absturz, Schweiz-Schock) wegzulächeln. Medien und Dienstleister nutzten den Termin, um sich selbst und mit ihren Kunden zu feiern. Die Frequenz war auf den meisten Veranstaltungen überraschend gut, jedenfalls am Montag und Dienstag, und man hörte nicht wenige Leute Englisch und Italienisch sprechen.

Dass mit der Bread & Butter einer der Berliner Protagonisten ausfiel, haben im Vorfeld alle bedauert. Wirklich vermisst hat man die Messe dann aber nicht. Jedenfalls nicht in dem Zustand, in dem sie sich zuletzt präsentierte. Panorama, Premium, Bright und insbesondere die gut gemachte Seek haben viele Tempelhof-Aussteller abgezogen. Der improvisierte Auftritt von 40 Labels in der Münzstraße war in erster Linie eine Solidaritätsbekundung für Karl-Heinz Müller. Auch wenn da viele Krokodilstränen vergossen wurden, wird ihm das gut getan haben. Das Drama der letzten Monate ist nicht spurlos am Bread & Butter-Gründer vorbeigegangen. Da ist viel Frust über die Branchenentwicklung, Verärgerung über die anderen Messemacher, aber auch durchaus Einsicht in die eigenen Fehler. Dass er sich nicht verkrochen hat, zeigt, dass mit ihm auch künftig zu rechnen sein wird. Im Juli soll die Bread & Butter in neuer Form und zum früheren Termin wieder stattfinden.

Das Berliner Messegeschäft betrieben diese Woche einstweilen andere. Anita Tillmann baute mit dem Umzug der Seek in die Arena geschickt ihre Verkaufsfläche aus und initiierte nebenbei auch noch eine Konferenz zu dem spannenden Zukunftsthema Wearables (für die die meisten Berlin-Besucher aber leider keine Zeit hatten). Norbert Tillmann hat sich als der Panorama-Gesellschafter geoutet, der er von Anfang an war. Die Rolle des neuen Premium-Gesellschafters Waterland, der Tillmanns Anteile wie zu lesen war übernommen hat, wäre übrigens mal eine Recherche wert, liebe Journalisten.

Dass Karl-Heinz Müller die Panorama im Vorfeld von Berlin als Wiedergänger von CPD und Herrenmodewoche geschmäht hatte, war angesichts seiner eigenen Situation nicht unbedingt guter Stil. Inhaltlich werden ihm aber viele recht geben. Immerhin gibt sich das Team um Jörg Wichmann alle Mühe, die hässlichen Berliner Messehallen aufzupimpen. Die parallel stattfindende Grüne Woche sorgte bei den Modeprofis überdies für eine ungewohnte Konfrontation mit der modischen Realität.

Dass zu dieser modischen Realität auch hervorragendes Design gehört, zeigte der von Christiane Arp und Markus Kurz initiierte Berliner Modesalon. Die Vogue-Chefredakteurin und der Inhaber der Event-Agentur Nowadays zogen in nur wenigen Wochen eine gekonnte Werkschau des deutschen Modedesigns hoch, die definitiv eine andere Qualität zeigte als der Schauenzirkus am Brandenburger Tor. Und im Kronprinzenpalais störte auch keine Sylvie Meis das Bild. So könnte der Modesalon eines Tages, wenn IMG oder Mercedes Benz mal die Lust an Berlin vergehen sollte, die MBFW beerben. Also bitte beihalten.

Obwohl nicht so gemeint, wirkte der Modesalon wie ein erstes Lebenszeichen des German Fashion Design Councils. Christiane Arp proklamierte diesen neuen Verein zur Förderung deutschen Modedesigns bei der Zeitmagazin-Konferenz am Montag und schwang sich zudem zu dessen Präsidentin auf. Natürlich kann man sich fragen, ob es neben dem Deutschen Modeinstitut, dem Verband Deutscher Modedesigner und dem Meisterkreis eine weitere Institution braucht, die Designern und schönen Dingen im Mode-Entwicklungsland Deutschland Geltung verschafft. Da diese bereits bestehenden Organisationen über Fachkreise hinaus kaum einer kennt, spricht viel dafür, dass der Einsatz eines Medienprofis wie Arp die Sache nur voranbringen kann.

Die Hochglanzmagazine, allen voran die Vogue und ihre Chefredakteurinnen sind seit jeher wichtige modische Meinungsbildner. Diese Position ist aber bekanntlich nicht unangreifbar, auch dafür lieferte Berlin Belege. Welcher Modeprofi kennt etwa Betty Autier? Oder Kristina Bazan? Autier (28) betreibt zurzeit den “most influential fashion blog” (Le Blog de Betty). Dafür wurde die Französin am Dienstag bei den Stylight Fashion Influencer Awards ausgezeichnet. Und die 20jährige Schweizerin Bazan wurde “Fashion Influencer of the Year”. Ihr Blog Kayture hat weit über 1,1 Millionen Fans auf Facebook. Die deutsche Vogue hat etwas mehr als 238.000. Nun sagt dieser Vergleich natürlich nicht viel über inhaltliche Relevanz. Ein Indiz für Breitenwirkung ist es sehr wohl.

Profashionals hat übrigens 3185 Fans auf Facebook. Aber das lesen halt auch nur Leute, die sich anzuziehen wissen.

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