Behind-The-Scenes // Zu Besuch in der Produktionsstätte von Barbour

Um eines Vorweg zu nehmen: Es ist beinahe ein Jammer, dass Pressereisen immer seltener werden – vor allem so ausgiebige Erkundungstouren wie bei Barbour oder Zimmerli (ihr erinnert euch?). Und nein, ich meine an dieser Stelle nicht die Vorzüge um Sterne-Hotels und Heititeiti-Zeit. Ein Blick hinter die Kulissen ist nämlich weitaus wertvoller als eine einfache Kollektionspräsentation im schnieken Showroom. Während Pressetrips bis vor wenigen Jahren noch fest eingeplante Erkundungstouren einer jeden Redaktion waren, werden heute bloß nur noch ganz selten Einladungen rausgeschickt. Der Grund? -Drei Tage lang Recherche statt Tippserei auf dem Rechner sind zu teuer für den Verlag. Wie schade, non? Sind Behind-the-Scenes Eindrücke, Einblicke in die Produktion und Gespräche mit Mitarbeitern doch viel wertvoller als Lookbook-Bilder und Catwalk-Bilder – zumindest in regelmäßigen Abständen.

Grund genug, die Einladung von Barbour und die Produktion “Made in England” selbstverständlich und ohne Zweifel anzunehmen: Wie wird in Nord-Ost-England gefertigt? Woher kommt diese ikonische Wachsjacke Überhaupt? Und welche Geschichte steht überhaupt dahinter? Lauter Fragen im Kopf, ganz viele Antworten im Gepäck und ein Step-by-Step Fotobuch obendrauf. Drei Tage Barbour-Pressetrip – Teil 3:

Aka das Finale //
In der Produktionsstätte von Barbour:

Als John Barbour 1984 in South Shields seine bis heute in Familienhand bestehende Firma gründete, wusste er genau, wie die perfekte Jacke für die Region aussehen musste: Sie sollte den Wettergegebenheiten von South Shields standhalten – und vor allem regenfest sein – denn zur Hauptzielgruppe gehörten Fischersleute. Wurde die Kleidung also anfangs noch mit stinkendem Fischöl behandelt, um vor Nässe zu schützen, behandelte Barbour wenig später seine Textilien mit einem Spezielwachs – und sollte damit für eine Revolution sorgen. Die ikonische Wachsjacke wurde geboren und mit ihr Schnitttechniken, die im Laufe der Jahre perfektioniert wurde, um vor Regen und Wind zu schützen. Erst viele Jahrzehnte später folgte das bekannte Karo-Muster im Inneren – zu Anfang der Produktion verwendete man verschiedenste Karo-Materialien, die man gerade auf dem Markt fand, für die individuelle Maßanfertigung der Jacken. Im Laufe der Jahre wurde die Produktion perfektioniert, es entstanden ganze Kollektionen von der Stange und John Barbour versorgte die britische Armee mit schützender Garderobe.

Noch heute werden die ikonischen Wachsjacken in South Shields produziert, während die Produktion andere Kreationen der Marke mittlerweile aus Kostengründen in andere Ländern wie Portugal, Bulgarien und der Türkei verlegt wurde. Die Tradition wird daheim allerdings weiter geführt: Aus Imagegründen und um sich der Verantwortung der Region weiter zu stellen, denn Barbour ist einer der Hauptarbeitgeber in South Shields und gründete für die spezielle Produktion der Wachsjacken vor wenigen Jahren sogar eine eigene Schule, um das Handwerk zu schützen und die Produktion “Made in England” weiter fortführen zu können.

Und was passiert schließlich vor Ort? Produktion und Customer Service – und mit letzterem fangen wir doch gleich mal an:

Customer Service

Alte, geliebte Wachsjacken bekommen hier ein Make-Over, denn: Die Halter einer Barbour-Wachsjacke können sich nach so vielen Jahren tatsächlich einfach nicht von ihr trennen. Der Grund: Die Jacke wird mit den Jahren schöner und kriegt einen ganz eigenen Charakter. Hier vor Ort (gibt’s übrigens auch in Deutschland, ihr Lieben), wird erste-Jacken-Hilfe geleistet, nachgewachst und Unmögliches möglich gemacht. Seht selbst:

Der Inhalt einer Wachsjacke aka Taschenüberbleibsel der Träger aka Fundstücke aus allen Lebensbereichen.

Und so kommen die alten Modelle teilweise ein: Völlig zerrissen und hin.

Links: Altes Modell. Rechts: Neue Stoffbahnen, die eingeht werden.

Diese Modelle warten noch auf ihr Make-Over.

Das passende Innenfutter – je nach dem aus welchem Jahr das Modell stammt, braucht’s ein anderes Muster.

Und diese beiden Modelle wurden bereits komplett bearbeitet – nun fast: rechts muss noch durch die Wachstation.
Jede Lady im Customer Service kümmert sich von A-Z um ein Jackenmodell. Allein von Januar bis Ende Februar wurden hier 2300 Jacken wieder auf Vordermann gebracht. Es dauert rund 4 bis 6 Wochen, bis eine Wachsjacke nach dem Versand wieder flott ist und zum Träger zurück kommt.
Der Spezialwachs!
Und der wird innerhalb von 20 Sekunden auf dem warmen Tisch in die Jacke eingearbeitet.
Und der Überschuss wird im Anschluss entfernt.
Ja, auch solche mitgenommenen Stücke kommen hier an: Vom Rottweiler daheim angeknabbert.

Und so wie die Linke, wird die Rottweiler-Jacke auch bald ausschauen.

Und wie wird die Jacke überhaupt hergestellt?

Step-by-Step: Die ikonische Wachsjacke aus dem Hause Barbour

Und hier werden die Beaufort, die Bedale und all die anderen 50 Klassiker hergestellt.

Das wachsgetränkte Textil kommt aus Schottland und Nordirland und wird zunächst in gleich lange Bahnen geschnitten

100 Bahnen werden zeitgleich in die verschiedensten Schnittmuster gesägt. Und dann geht’s auch schon darum, all die Stücke wieder zusammen zu setzen: Schritt für Schritt.

Teamwork startet: Jede Näherin hat ihren Fachbereich.
Damit keine Knickstelle entsteht, läuft das Textil durch diese Röhre und wird schließlich zusammen genäht.
Auch das klitzekleinste Detail muss hier gefertigt werden.
Das Innenleben der Jacke. Ab sofort wandern die Schnittmuster. Ist die eine Näherin fertig, legt sie ihr genähtes Ergebnis in einen Korb hinter sich und die dort sitzende Näherin arbeitet weiter damit.
Eine Königsdisziplin: Die Taschen!
Hintereinander in Reih und Glied. Hier funktioniert alles in Teamwork. Eines fällt am allermeisten auf: Die gute Stimmung unter den Frauen, die laute Musik, die selbst durch das Maschinengeräusch für eine lockere Atmosphäre sorgt und regelmäßige Pausen.
Eigene Arbeit fertig? Dann wird alles aufgehangen und der Greifer wird weiter geschoben.

Sie weiß genau, wo die Nieten hin müssen und markiert die Stellen…

mit gelben Punkten.

Ihre Kollegin sorgt schließlich dafür, dass die Nieten dann korrekt gesetzt werden.

Zack, fertig und verpackt. 650 fertige Wachsjacken schaffen die Ladies an einem Tag – 3000 in der Woche. Und dabei brauchen sie gerade mal bis zu 1,5 Stunden vom Schnitt bis zum letzten Stich – bedeutet: 160 Einzelteile für ein Bedale Modell. Wir ziehen unseren Hut und verneigen uns zutiefst.

Und Samples werden vorab selbstverständlich ebenfalls vor Ort produziert – ebenso wie Sonderanfertigungen für Hello Kitty. Und auch einen Blick ins Archiv wurde nicht ausgelassen:

Um eines klarzustellen: Eine Pressereise ist selbstverständlich eine Einladung, allerdings nicht gleichzusetzen mit einer bezahlten Kooperation. Was veröffentlicht wird oder nicht, das entscheidet der Redakteur am Ende selbst (Und wenn es sich nicht um einen Anzeigenkunden handelt, dann braucht überhaupt gar nichts stattfinden – wie bei uns). Aus diesem Grund kann ich guten Gewissens sagen, dass wir uns an dieser Stelle nicht vor den Karren einer Marke gespannt wurden, sondern tatsächlich und aus voller Überzeugung hinter der Philosophie und dem Design der Marke stehen – sonst würden wir die Jacken wohl auch selbst nicht schon seit Jahren selber tragen. Warum Barbour an dieser Stelle so vermeintlich omnipräsent stattfand?

-Weil ich euch einfach mit meinen Schnappschüssen tagebuchartig hinter die Kulissen nehmen wollte, euch zeigen mochte, wie eine Pressereise eigentlich so abläuft und welche Nebensächlichkeiten so wichtig für den Gesamteindruck sind: Und hier spreche ich nicht von tollen Hotelbetten oder leckeren Häppchen, sondern von einem Lebensgefühl, der Markenphilosophie, von der Lebenseinstellung und einer beeindruckenden Familiengeschichte, die mit ihrer Unternehmung schon in die vierte Generation geht. Ich jedenfalls bin sehr glücklich darüber, einmal hinter die Kulissen geschaut zu haben und freue mich sehr, wenn dem ein oder anderen die kleine Reise nach Newcastle mindestens genauso viel Spaß bereitet hat wie mir.

Eines ist abschließend jedenfalls klar: Selbst 350 Euro für eine solche Jacke sind immer noch viel zu wenig, wenn man sich den Arbeitsaufwand anschaut. Zwar sind die Näherinnen furchtbar flott, allerdings sprechen wir hier von Handarbeit. Vielleicht sollten wir das einfach öfter mal im Hinterkopf behalten.

Allerliebsten Dank für diese wirklich aufschlussreiche Reise, liebes Barbour-Team, liebe Ina und liebe Franzi. Und 1000 Dank für so viel großartige Lacher, liebe Julie <3 Herz verloren, Herz verschenkt!

  • Love
  • Save
    1 love
    Add a blog to Bloglovin’
    Enter the full blog address (e.g. https://www.fashionsquad.com)
    We're working on your request. This will take just a minute...