Leser_innen-Interview #5: Üffi


Liebe Leser_innen,

heute ist eine Berlinerin an der Reihe, die mehr Interessen hat als ein einziges Leben erfüllen kann.

Liebe Bärbel,

oder sage ich besser Üffi oder Eau Minerale? Seit 2012 springst Du unter diesen Namen mit dem Blog Ü 50 durch die virtuelle Welt. Wir kennen uns von den ü30 Bloggern und hatten bereits das Vergnügen, uns persönlich zu treffen. Dabei war mein erster Eindruck im wahren Leben von Dir:

Bärbel ist genauso, wie ich sie mir vorgestellt habe. So etwas mag ich. Bin gespannt, was wir hier jetzt von Dir erfahren!

Dein Blog hat den Untertitel „Um was geht es hier eigentlich? Um Pflanzen, Tiere und Seniorensport? Oder doch lieber um Mode, Taschen und Kosmetik? Ü50 was? Businessjackets? Urlaubsreisen? Parfüms? Handtaschen? Nagellacke? On verra!*” Bleibt die Frage: Um was geht es denn wirklich? Was hat sich in den Jahren der Bloggerei alles in Deinen Blog geschlichen? Gibt es ein Kernthema?

Liebe Ines, es würde mich glücklich machen, wenn ich ein Kernthema hätte, eine Nische, in der ich mich gemütlich einrichte und in der mich Leute, die ähnlich gestrickt sind oder für die es irgendwie passt, besuchen kommen. Aber in meinem Leben passiert so viel und ich möchte vieles davon mit meinen Lesern teilen, so verzettele ich mich doch immer wieder auch mit Beauty- oder Lifestylethemen, weil ich plötzlich der Meinung bin, meinen Lesern den neuesten roten Nagellack oder glitzernden Cremetopf UNBEDINGT zeigen zu müssen.

In meinem Traum hätte ich gerne einen feinen Ü50-Fashion-Blog. Mit launigen Texten, guten Fotos und abgefahrenen Locations im Hintergrund. Mein Untertitel stammt noch von dem Tag, als ich den Blog begann. Er hat nur inzwischen ein paar Zeilen verloren, weil ich auch da viel zu viel reingepackt hatte.

Und von diesem Tag stammt auch die Sache mit den Namen. Weil ich meinen Vornamen nicht sehr mag, für den vollständigen Realnamen keine Traute hatte und wie immer eine Flasche Wasser neben mir stand, kam es zu Eau Minerale und im Forum war Annemarie der Name uefuffzich zu unaussprechlich und so wurde schnell Üffi daraus. Inzwischen habe ich mich irgendwie sogar an meinem Vornamen gewöhnt, vielleicht, weil er im Internet nur geschrieben und gelesen wird und nicht gesprochen.

Wie bist Du zum Bloggen gekommen und was bedeutet es Dir?

Ich bin seit zehn Jahren in verschiedenen Gemeinschaften unterwegs. Zuerst war da ein Faden bei eBay: Ein Dutzend Mädels und ein paar Jungs halfen anderen eBay Usern dabei, nicht auf Designerfakes reinzufallen. Daraus haben sich zwei bis drei Foren entwickelt, die ich zeitweise parallel besuchte, und davon blieb für mich das Taschenforum als meine Taschenheimat übrig. Dort schrieb ich anfangs Bildergeschichten über Taschen, Reisen und Events und bekam viel Zuspruch dafür. Das war mir irgendwann nicht mehr genug und außerdem griff ein Blogfieber um sich. Viele Foruminen hatten plötzlich einen Blog – allerdings waren sie alle erheblich jünger als ich – und eines schönen Tages wollte ich es einfach auch mal versuchen.

Als ich im Herbst 2012 meinen Blog startete, tat ich es hauptsächlich, weil die Altersgruppe 50 im Internet noch immer eher mit beiger Kleidung im Partnerlook, Kochrezepten, Dekowahn, Handarbeiten und Enkelbetreuung in Verbindung gebracht wird. Das wollte ich ändern. Und so blogge ich ein- bis zweimal wöchentlich über mein Leben, meine Reisen, meine Mode, meine Marken und ich schätze den direkten Austausch mit meinen Lesern in Form von zahlreichen Kommentaren sehr.

Viele Deiner Fotos sind ein absolutes Highlight. Mich beeindruckt dabei oft die gewählte Perspektive und ungewöhnliche Umgebung, auch bei fotografierten Dingen. Wie kommst Du auf diese Ideen? Wie entstehen Deine Fotos?

Meine Großeltern hatten einen Optikerladen. Sie verkauften auch Fotoapparate und hatten ein Fotolabor. Schon als Schulkind bekam ich einen Fotoapparat und knipste sehr überlegt, weil es ein recht teures Hobby war. Ein Grund, mit meinem Blog zu starten war auch, dass ich hoffte, die Unmengen von schönen Fotos, die hier auf meinen Festplatten lagern, mal der Welt zeigen zu können. Das ist allerdings eine Illusion. Bevor ich in alten Dingen herumkrame, ziehe ich lieber los und fange neue Eindrücke ein. Um Gestaltung und Perspektiven mache ich mir gar keine Gedanken. Sobald ich weiß, was ich fotografieren möchte, bekomme ich eine Idee für den Hintergrund oder begleitende Fotodeko.

Ich sehe bei Instagram oder auf Blogs oft diese sehr hellen zarten Fotos, so romantisch und verträumt. Ich liebe es, diese Fotos zu betrachten, habe aber nie versucht, diesen Stil nachzuahmen. Meine Fotos haben immer einen gewissen Kontrast – wie mein Leben – das passt zu mir!

Wie viele weiße Blusen hast Du aktuell im Kleiderschrank?**

Nur für Dich habe ich aktuell durchgezählt und ich weiß, dass eine in Nordfriesland hängt, aber gerade keine in der Reinigung ist. So komme ich auf 37 – aber nur 36 sind meine. Ich habe meine Mutter (Leserin der ersten Stunde) im März getroffen und sie brachte mir für Deinen Blog ganz ungefragt ihre DDR-Hochzeitsbluse vom Tag der zweiten Eheschließung 1988 mit. Also: Wenn es mal passt, bekommt Ihr sie zu sehen und danach hängt sie wieder bei meiner Mutti im Schrank.

Du hast eine Vorliebe für Designeraccessoires und -bekleidung. Welches ist Dein Lieblingslabel bzw. -designer und warum?

Ich habe kein Lieblingslabel, ich greife mir von jedem, was mir am besten gefällt. Chanel für Abendtaschen, Ketten und Nagellack. Hermes für Stadttaschen, Gürtel, Schuhe und Bekleidung und Accessoires aus den edelsten Materialien. Louis Vuitton für modische Tücher, bunte Plastetaschen und beeindruckendes Reisegepäck. Christian Lacroix für Blusen und T-Shirts, Jean Paul Gaultier und Martin Margiela für ausgefallene Sichtweisen auf Althergebrachtes. Ich mag gerne klassische, zeitlose Kleidung, aber wenn diese beiden Herren die Klassiker leicht verfremden dann bin ich schnell zu begeistern.

Ich denke, man muss im Kleiderschrank lediglich ein paar echte Kracher haben, dann braucht man nur ab und zu ein paar Basics nachzukaufen. Ob das jetzt Marke oder Primark ist, entscheidet jeder für sich.

Wie ist Deine Vorliebe für diese besonderen Dinge entstanden?

Meine Vorliebe für teure Klamotten ist geboren aus einer gewissen Not in der Kindheit. Es gab zu meiner Schulzeit fast nichts, das mir richtig gut passte. So lang und dünn war keiner vorgesehen bei der 0815-DDR-Mode und so bestrickte meine Mutter mich mit ihrer Strickmaschine. Nicht immer schön und als Schulkind habe ich echt gelitten. Zum Beispiel wenn ich zur Tanzstunde einen Minirock zu meinen Storchbeinen anziehen musste, obwohl die anderen alle Mädchen schon Midiröcke trugen, die gerade IN waren.

Sobald ich eigenes Geld hatte, gab ich es für Mode aus. Schon in der DDR kaufte ich mir einzelne Stücke im Exquisit. Wenn die Studienkumpels abends Bier trinken gingen, war mein Geld alle, aber ich hatte eine rote Bluse aus (Kunst-)Seide.

Wie geht Dein reales Umfeld mit Deiner Bloggerleidenschaft um?

In meiner Partnerschaft bekomme ich volle Unterstützung. Sei es, um mir den Rücken freizuhalten, wenn ich am PC hocke, sich um den Lebensmittelerwerb zu kümmern und für deren Zubereitung zu sorgen und letztendlich auch, wenn es darum geht, dass regelmäßig neue Fotos von mir benötigt werden – noch ist genug Geduld vorhanden.

Welche Leser_innen möchtest Du gerne mit Deinem Blog ansprechen? Auf welche Gedanken möchtest Du sie bringen?

Eigentlich müsste ich wohl mit Frauen Ü50 antworten, das stimmt aber nicht. Mein Lieblingsradiosender heißt im Untertitel NUR FÜR ERWACHSENE – und genau da sehe ich auch mein Blog. Egal, ob man Ü30, Ü40, Ü50 oder ÜXYZ ist – wenn man sich für modischen Schnickschnack, Tücher und Taschen interessiert, schaut man vielleicht gerne bei mir vorbei und kommt auch wieder. Und sei es nur, um auf andere Gedanken zu kommen. Ich möchte einfach nur etwas unterhalten.

LET ME ENTERTAIN YOU!

Wenn Du fremde Menschen auf der Straße siehst, was begeistert Dich optisch und worüber schüttelst Du den Kopf?

Zuerst mal: Ich schüttele sehr viel öfter den Kopf, als dass ich mich nochmal bewundernd umdrehe. Ich bin total kritisch und ein fürchterliches Lästermaul. Mich begeistert es, wenn Menschen Kleidung und Accessoires aufeinander abgestimmt haben und vor allem, wenn sie sich irgendwie dem Anlass entsprechend kleiden. Zerrissene (Designer-)Jeans und (diamantenbesetzte) Sneaker in der Oper finde ich schlimm, dann doch lieber ein Polyesterabendkleid. Aufgebrezelt bei LIDL in der Kassenschlage finde ich zwar auch übertrieben, aber lustig!

Du lebst in Berlin, kommst von der Ostseeküste, bist in Hamburg, Paris und an der Nordseeküste aber genauso zu Hause. Was macht für Dich das Lebensgefühl dieser verschiedenen Orte aus? Wo trifft man welche Facette von Dir?

In Berlin bin ich gedankenlos ICH – egal was ich trage oder mache. Ich gehe unter in diesem Schmelztiegel, fühle mich wohl dabei und picke mir raus, worauf ich gerade Lust habe.

In Paris lebe ich meinen Traum und sehe auch so aus. Wenn ich für Paris packe, dann nehme ich Sachen mit, die mir in Berlin zu fein wären. Und sei es nur, weil ich sie danach nicht einfach waschen kann, sondern in die Reinigung geben muss. Pflichthosen statt Jeans, Hermes Sneaker statt Adidas, Vuittontasche aus Leder statt aus Canvas. Es ist aber nur MEIN Bild von Paris. Das ist nicht die Realität. Ich weiß das und es ist mir egal!

Natürlich denke ich, wenn ich in Paris bin, auch immer daran, wie viele Menschen alleine bei dem Wort PARIS ins Schwärmen geraten und so versuche ich immer, Fotos für einen Blogbeitrag mitzubringen. Das ist total simpel: etwas Ladurée oder Diptyque, ein Stück vom Eiffeltum, einen Schluck von der Seine, ein Glas Champagner und dazu eine orange Schachtel und die Likes flattern einem ins Haus!

Wenn ich Paris mit einem Wort beschreiben soll, dann fällt mir echt nur LIEBE ein. Ich liebe alles dort, denn alles ist besser oder schöner: Die Straßen, die Häuser, die Leute, die Taschen, das Essen, die Gerüche…aber es ist auch teurer und ich kann die Sprache nicht – deshalb lebe ich in Berlin.

In Hamburg übe ich noch – die großen, schlanken, leicht gebräunten und gesträhnt erblondeten Hanseatinnen mit ihrem stolzen geraden Gang und in ihrem klassischen und leicht maritimen Look samstags auf dem Neuen Wall haben meine volle Anerkennung – allerdings würde ich ihnen gerne etwas Steife nehmen.

An der Ostseeküste bin ich zu Hause und sehe dann auch so aus . Bei der Familie ist Styling nicht nötig. Da werde ich auch mal zur Karoblusentante!

In Nordfriesland ist es etwas anders: da ist es entweder kalt, regnet oder es ist sehr warm. Darf ich hier von praktischer Kleidung reden? Denn dort trage ich es tatsächlich eher praktisch – naja, für Sylt packe ich auch gerne etwas aus dem Schrank mit den teuren Fummeln mit in den Koffer.

Was wird es auf Deinen Blogs voraussichtlich nie zu sehen geben?

Mein Zimmer – das ist meins, das teile ich nicht gerne. Auch im RL nicht. Man darf dort nix anfassen, alles meins. Ich habe mich total übertrieben damit. Kennst Du das, wenn Du Dir Deine Lieblingszeitung oder einen teuren Bildband gekauft hast, jemand nimmt es vor Dir in die Hand und blättert es gedankenlos durch und hinterlässt solche halbrunden Knicke auf dem Hochglanzpapier?*** Ich kann damit nicht umgehen, also: TÜR ZU – von außen bitte.

Was inspiriert Dich auf anderen Blogs? Warum liest Du meinen Blog?

Bei anderen Blogs inspirieren mich recht viele Dinge: Die Leute, deren Outfits, Fotoideen, Geschichten, Hintergründe, Testergebnisse…etc. Und, ja – irgendwie ist es auch fein, dass die kleine Portion Voyeurismus in mir etwas zu sehen bekommt. Dafür bloggen Blogger doch – oder?

Deinen Blog lese ich, weil ich mit Deinen Beiträgen immer etwas anfangen kann, sie kurzweilig sind, überlegt, wohlformuliert und gut recherchiert und weil ich Dich im RL kenne und Dich mag, auch Deine Art zu bloggen. Ich fühle mich Dir einfach irgendwie verbunden und – es ist ganz einfach: Ohne Deinen Blog würde mir etwas fehlen.

Ich mag auch Deine Beiträge, an denen ich mich reiben kann, wie an dieser Minimalismusdiskussion. Ich habe nichts gegen Konsum- oder Mülleinschränkungen, Ressourcenschonung oder Wassersparen, aber wieso ich meinen Kleiderschrank regelmäßig rigoros ausmisten soll, um zweimal im Jahr neue Sachen zu kaufen, die qualitativ nicht besser als die alten sind und mir daraus dann auf Krampf sieben verschiedenen Outfits basteln soll, werde ich nie verstehen.

Was beschreibt Deine Grundeinstellung zum Leben in einem Satz?

Besser geht immer!

Vielen Dank für das Interview!

Habt Ihr weitere Fragen an Bärbel? Dann besucht einfach ihren Blog – dort findet Ihr heute auch noch mehr Bilder aus der pinken Session – und stellt sie dort im Kommentarfeld oder hier. Ich habe mich sehr gefreut, wieder neue Seiten an Bärbel zu entdecken. Vielen Dank an diese spannende Frau!

Du möchtest auch gerne hier vorgestellt werden? Dann melde Dich bei mir, gerne auch als Nicht-Bloggerin!

Hier findet Ihr die bisherigen Interviews: Leser_inneninterview by meyrose.

  1. * frz. „on verra“ bedeutet „das wird sich zeigen“, habe ich erstmal ergoogelt …
  2. ** Die Frage ist ein kleiner Insider, weil ich fasziniert davon bin, wie viel Kleidung Bärbel im Fundus hat und wir ganz unterschiedlich über das Thema Minimalismus denken.
  3. *** Ja, das kenne ich nur zu gut …

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