Nahtzugabe

Ein Alabama-Chanin-Projekt nach "Alabama Studio Sewing + Design"



Vier alte T-Shirts, eine Rolle Handquiltgarn und etwas Stofffarbe sind - wenn alles so klappt, wie ich mir das vorstelle - das Material für ein Handnähprojekt nach Alabama Chanin, des Stoffspielerei-Themas im Mai, das Griselda vorgeschlagen hatte. Ich möchte hier ab und zu den Fortschritt dokumentieren, denn mein Vorhaben wird Ende Mai wahrscheinlich noch nicht abgeschlossen sein.


Mit den DIY-Techniken im Stil von Alabama Chanin beschäftige ich mich schon seit einigen Jahren, seitdem ich das erste Mal aus Zufall auf die Webseite der Firma stieß und vollkommen verzückt die exquisiten handgearbeiteten Textilien im Onlineshop durchstöberte. Alles ist Stich für Stich handgenäht, bestickt, appliziert, gequiltet. Produziert werden die Kleidungsstücke in Florence, einem Städtchen im Nordwesten Alabamas, dem Heimatort der Firmengründerin Natalie Chanin. Die Textilherstellung, insbesondere Baumwollanbau und -verarbeitung, war einer der Hauptindustriezweige Alabamas - wie man weiß, ist von der amerikanischen Textilindustrie nicht mehr viel übrig geblieben. Natalie Chanin knüpfte mit ihrer Firma an diese Textiltraditionen an und wurde zum Arbeitgeber in einer Gegend, in der es sonst nicht viele Beschäftigungsmöglichkeiten gibt. In den ersten Jahren arbeitete sie vor allem mit gebrauchten Materialien. Die ersten Kleidungsstücke, die auf der Webseite zu sehen waren, bestanden aus recycelten Baumwolltshirts mit verwaschenen Aufdrucken, die umgeschneidert und durch Stickereien und Applikationen in etwas Besonderes verwandelt wurden.

Mittlerweile verwendet Alabama Chanin eigens hergestellten Bio-Baumwolljersey aus den USA. Alle Materialien, also auch Garne, Perlen, Textilfarben, Schablonen, werden ebenfalls über die Webseite angeboten, und die Muster, Schnitte und Herstellungsweisen der Kleidung werden in mittlerweile drei Büchern Schritt für Schritt erklärt. Die Fabrik in Florence ist zu einem Veranstaltungszentrum geworden, in dem Nähworkshops stattfinden, Natalie Chanin spricht oft auf Konferenzen, in denen es um nachhaltige Textilproduktion und faire Beschäftigung geht.


Die Alabama-Chanin-Bücher - ich kaufte mir nach langem Überlegen den dritten Band, Alabama Studio Sewing Design - sind wunderschön fotografiert und sehr sorgfältig gestaltet, es ist eine Freude, einfach nur zu blättern und in den Detailfotos der Stoffe zu schwelgen. Selbst wenn man nie vorhätte, irgendetwas davon nachzuarbeiten, wäre das Geld für das Buch gut angelegt. Die Qualität der Texte und der Anleitungen steht den Bildern aber in nichts nach. Schnittmuster für ein Tshirt mit Variationen (lange/kurze Ärmel, ärmellos, Bolero) und ein Kleid aus vier Bahnen (in verschiedenen Längen, Varianten: trägerloses Top, kurzer, mittellanger und langer Rock) sowie für einen Hut sind auf zwei beigelegten Bögen aus dickem Papier gedruckt. Die Vorlagen für die Musterschablonen können aus dem Buch per Fotokopierer vergrößert werden, man kann sie aber sogar auch in Originalgröße von der Webseite herunterladen.

Es ist selten, dass ein Unternehmen so die Geheimnisse seiner Produkte, bis hin zu den Designvorlagen weitergibt - bei Alabama Chanin gehört diese Transparenz zum Gesamtkonzept: Zum einen ist "education", also unter anderem die Weitergabe handwerklichen Wissens, eines der Anliegen Natalie Chanins. Zum anderen wird dem textilen Laien, der womöglich noch nie eine Nähnadel in der Hand hatte, durch den Einblick in die Produktionsschritte verdeutlicht, wie die Preise der Produkte zustandekommen, ohne dass man detailliert über Kalkulationen reden müsste. Wer einmal verstanden hat, dass bei den über und über applizierten Kleidern, Röcken und Jacken eine per Schablone gedruckte Vorlage von Hand Motiv für Motiv nachgenäht und ausgeschnitten wird, bekommt einen Eindruck von der reinen Arbeitszeit, die für die Herstellung eines solchen Kunstwerks nöig ist und ist sicherlich eher geneigt, einen vierstelligen Betrag dafür auszugeben und die Kleidung entsprechend wertzuschätzen. Zugleich ist dieser Ansatz ein demokratischer: wer keine vierstelligen Beträge ausgeben kann, kann sich mit genügend Geschick und Ausdauer sein Designermodell selbst herstellen.


Ich möchte diesmal ein größeres Stück in Angriff nehmen, und zwar einen knielangen Vierbahnenrock. Eingedenk der Recyclingtradition bei Alabama Chanin verwende ich den Jersey von vier alten Tshirts, deren Material noch völlig intakt ist, bei denen aber die Bündchen sehr schnell durchscheuerten. Bei meinen Versuchen bis jetzt bin ich zu dem Schluss gekommen, dass man am besten reinen Baumwoll-Singlejersey verwendet, und dass die etwas geringere Elastizität mehrfach gewaschenen Jerseys eher von Vorteil ist. Liselotte hatte in ihrer Alabama-Chanin-Phase letztes Jahr sogar einmal den Originalstoff bestellt und ihn als eher labberig und nicht besonders elastisch beschrieben. Die Rockteile habe ich zugeschnitten, Garn besorgt, jetzt geht es darum, eine Schablone anzufertigen und auf den Stoff zu bringen. Damit geht es dann auch beim nächsten Mal weiter. Ein Post von nahtzugabe.blogspot.com
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